Yoke und Throttle für 140,- €. Das klingt nach einem interessanten Angebot. Saitek bringt damit Bewegung in den recht statischen Markt für diese spezielle Hardware und baut damit die Pro Flight Serie weiter aus. Den PC-Piloten freut’s, schließlich wird der Yoke-Steuerung nachgesagt, sie sei präziser und harmonischer als die konventionelle Joystick-Steuerung. Holger Kistermann hat sich das Paket genauer angesehen… – nachzulesen unter „mehr…“.
Überlingen Oktober 2007: Der Herbst scheint in diesem Jahr auszufallen. Und stattdessen wechseln wir gleich in den Winter. Bodensee-typischer Dauernebel, dann starker kühler Ostwind und schließlich droht der Wetterfrosch sogar mit dem ersten Schnee. Ein noch unerträglicheres Zeichen für den Beginn der kalten Jahreszeit ist die Tatsache, dass wir in der letzten Monatsversammlung im Luftsportverein schon die anstehenden Werkstattarbeiten für den Winter besprochen haben – bei laufender Heizung versteht sich. Es wird Zeit, in sich zu kehren und sich Gedanken über den bevorstehenden Flugsimulator-Winter zu machen: noch einmal den FS2004 quälen oder den Fokus auf den FSX legen? Unabhängig davon steht jedoch fest: Das Fliegen am PC muss noch realistischer werden! Entsprechende Software ist bereits vorhanden. Es ist wunderbar, Flugsimulator-Flüge so realitätsnah wie möglich durchzuführen – von der gründlichen Vorflugplanung mit Weight & Balance Berechnung bis hin zum Beherrschen eines wirklich komplizierten Anflugverfahrens am Zielflughafen. Doch warum investiert man so viel Geduld und Gehirnschmalz in dieses Unterfangen, wenn man eine Cessna oder eine Boeing immer noch mit einem simplen Joystick fliegt, anstatt mit einem Yoke?
Angesichts des neuen Saitek Pro Flight Yoke Systems drängt sich die Frage auf: „Was darf man für knapp 140,- € erwarten?” Einen vollfunktionsfähigen Yoke mit allen wichtigen Tasten zur Flug- und Sichtsteuerung? Ja! Gute, solide Verarbeitung? Ja! Ergonomie? Ja, unbedingt! Und eine einfache Montage? Ja! Der Saitek-Yoke erfüllt diese Erwartungen vollends. Und es gibt sogar noch einen dicken Bonus oben drauf: eine Throttle-Einheit. Die Kombination aus Yoke und Throttle für 140,- € ist somit unschlagbar günstig – schließlich lassen sich die Wettbewerber die beiden einzelnen Komponenten bereits spürbar teurer bezahlen.
Doch der Reihe nach: Yoke und Throttle kommen in einem großen Karton und sind transportsicher verpackt. Ein gedrucktes Handbuch sucht man vergebens. Doch um ehrlich zu sein, man braucht wirklich kein Handbuch. Und der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass auf der Treiber-CD zwei Handbücher für die Benutzung der Hardware und der Software enthalten sind. Mehr dazu später. “Robust”, “sauber verarbeitet” und “durchdacht” sind die Vokabeln, die den ersten Eindruck während des Auspackens am treffendsten beschreiben. Der gesteigerte Spieltrieb lässt den geneigten Tester jetzt bereits ein paar Mal das Steuerhorn an sich ziehen und wieder wegdrücken. Der Yoke hat durchaus einige Zugkraft – die Rückholfedern sind immerhin spürbar. Und auch die drei Hebel an der Throttle-Einheit haben eine gewisse Festigkeit, genau so, wie man es auch aus den Cockpits mancher echten General Aviation Maschinen kennt.
Die Bedienelemente von Yoke und Throttle liegen gut in der Hand. Sie sind ergonomisch, auch wenn man bisweilen einhändig steuern muss, um mit der anderen Hand bspw. im Landeanflug das Gas zu regeln. Wie manch reales Vorbild auch, verfügt der Yoke über eine integrierte Digitalanzeige in der Steuerung. Hier sind eine Uhr und eine Stoppuhr untergebracht, die gerade beim Sichtflug wertvolle Dienste leisten können. Ein solches Gimmick unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der Saitek das anspruchsvolle Klientel der fortgeschrittenen Flugsimulator-Benutzer bedienen möchte. Und es zeigt auch, dass man sich Gedanken darüber gemacht hat, wie man das eigene Produkt zu allen bisher auf dem Markt befindlichen Produkten abgrenzen kann.
Die Steuereinheit verfügt über einen Coolie-Hat zur Sichtsteuerung. Dieser ist ein wenig hakelig, was jedoch nicht besonders negativ auffällt. Angenehm sind die mit Rückholfedern ausgestatteten Tasten Wipptasten für die Trimmflächen an Seiten-, Quer- und Höhenruder des Flugzeugs. Auch an eine solche Taste für die Klappenverstellung wurde gedacht. Der Benutzer wird verwöhnt – und da der Mensch nie mit dem zufrieden ist was er hat, fragt man sich, wieso nicht gleich auch noch ein Kippschalter für das Fahrwerk in das Gehäuse implementiert wurde. Damit hätte man alle lebenswichtigen Funktionen zur Flugdurchführung hardwareseitig abgedeckt.
Die Throttle-Einheit besteht aus drei Achsen für die Schubregulierung: die Propellerverstellung und die Gemischverstellung. Mittels sogenannten Umschalt-Buttons, die unter den jeweiligen Achsen angebracht sind, kann man optional diesen Achsen auch noch andere Funktionen zuweisen. So kann man bspw. die Achse für die Propellerverstellung parallel zur Verstellung der Störklappen verwenden, ohne während des Fluges eine entsprechende Konfiguration vorzunehmen. Würde man dies wollen, könnte man über die mitgelieferte Software den Umschalt-Button entsprechend programmieren. Während des Fluges würde man bei Bedarf den Umschalt-Button drücken und die Achse hätte bis zum erneuten Umschalten eine andere Funktion. Eine grüne LED signalisiert den jeweiligen Modus. Alle drei Achsen sind übrigens folgendermaßen unterteilt: relativ kleiner negativer Bereich, dann ein spürbarer Nullpunkt und dann ein großzügiger positiver Bereich. Auf diese Weise kann man bspw. den Umkehrschub mit auf den negativen Bereich der Achsen legen. Beim Zurückziehen der Hebel aus dem positiven Bereich fährt man also über den angenehmen, weil deutlich spürbaren, Nullpunkt hinweg in den negativen Bereich – der Umkehrschub wird aktiviert. Der Microsoft Flight Simulator lässt diese Funktion allerdings nicht von Haus aus zu, weil der Umkehrschub über dieselbe Taste bzw. Achse gesteuert wird wie das Kommando “Schub reduzieren”. Und mehr als Leerlauf gibt es nicht. Die Schnittstelle FSUIPC von Pete Dowson verfügt über eine Möglichkeit, in einer definierbaren Bandbreite der Achssteuerung verschiedene Events zu produzieren. So müsste man über diesen Umweg den Umkehrschub auf der Saitek Throttle-Einheit aktivieren können. An dieser Stelle sei aber die Frage gestattet, ob man dies wirklich möchte – denn die Throttle-Einheit ist dem realen Vorbild aus Kleinflugzeugen nachempfunden. Und dort gibt es schließlich auch keinen Umkehrschub.
Yoke und Throttle sind mit wenigen Handgriffen am Schreibtisch montiert. Man achte auf die Wortwahl: “Schreibtisch” ist ungleich “Computertisch”, der per Definition unter der Tischplatte über eine ausziehbare Platte für die Tastatur verfügt. Bei den meisten Computertischen dürfte deswegen eine Montage unmöglich sein, da beide Komponenten mit Schraubzwingen am Tisch montiert werden. Wer eine niedrige Tischplatte hat, dürfte also mit den Oberschenkeln die Fixierung spüren. Bei einem normal-hohen Schreibtisch ist das allerdings kein Problem…
Fliegen mit Yoke und Throttle
Ich gebe es zu… – ich habe diese Einheit viel länger als geplant getestet. Durch einen blöden Bedienungsfehler habe ich unnötig viel Zeit verloren. Hätte ich die Bedienungsanleitung gelesen, hätte ich erfahren, dass man im Flight Simulator, egal ob FS2004 oder FSX, die Achsen-Genauigkeit auf einen niedrigen Wert einstellen muss. Das hätte mir viele Experimente mit FSUIPC, der mitgelieferten Saitek-Software und anderem erspart.
Aber… – mit der entscheidenden richtigen Konfiguration gelangt der Stubenpilot erst einmal zu einem „Aha-Erlebnis”. Und das ist nicht unbedingt positiv. Schließlich muss man das Fliegen mit einem Yoke erst lernen. Das Fluggefühl unterscheidet sich deutlich von der Joystick-Fliegerei. Die Steuerbewegungen fallen viel länger aus. Feinfühlige Korrekturen müssen einstudiert werden, bevor sie intuitiv erfolgen können. Gleichzeitige Steuerbewegungen über mehrere Achsen sind die Krönung! Gleichzeitig Quer- und Höhenruder geben, vielleicht auch noch Seitenruder und Gas oder Propellerverstellung – das kann in Arbeit ausarten. Ganz wie im echten Cockpit, nur dass die Sitzposition am heimischen Schreibtisch gänzlich anders ist und die lobenswerte Ergonomie von Yoke und Throttle durch eine niedrige Arbeitsplatte des Schreibtisches zunichte gemacht wird. So bequem ist das Fliegen mit dem Yoke nämlich doch nicht. Zumindest, wenn man sich noch nicht daran gewöhnt hat.
Das Fluggefühl erinnert stark an Cessna oder Piper. Schnell begreift man, dass man viel feinfühliger und relaxter steuert, wenn man einhändig fliegt. Bewegungen um die Längsachse kann man mit dem Yoke sehr feinfühlig steuern. Bewegungen um die Querachse, also das Höhenruder, sind zumindest bei dem mir zur Verfügung gestellten Exemplar kritisch. Es gibt Widerstände, die beim ersten Betrachten nicht auffallen. Doch beim möglichst sauberen Manövrieren fallen sie ins Gewicht und lassen so manchen Anflug etwas unbeholfen aussehen. Ein Anpassen der Achsen-Genauigkeit auf eine höhere Dämpfung kann das Ausgangssignal zumindest bereinigen, doch physisch spüren lassen sich die leichten Widerstände dennoch. Und noch ärgerlicher: Drückt man den Yoke nach vorne, überschreitet man einen spürbaren Maximalausschlag. Dann gibt es einen weichen Ruck und man kann noch weiter drücken. Blöderweise geht das Höhenruder sodann nahezu auf Neutralstellung zurück! Das dürfte nicht sein. Folgendes Szenario: Ein falsch getrimmtes Flugzeug wäre unrettbar verloren, wenn man keinen sauberen Vollausschlag zum Korrigieren durchführen könnte.
Sei’s drum. Auch mit diesen „Problemen” ist das Fliegen mancher Flugzeugmuster mit Yoke realistischer denn je.
Mögliche Erweiterungen
Das ganze System kann wachsen. Der Yoke ist die Plattform für Erweiterungen, die zukünftig von Saitek noch zu erwarten sind. Bereits angekündigt sind kleine TFT-Bildschirme für die Instrumente. Diese wird man einfach per USB direkt an den Yoke anschließen können. Sehr praktisch! Der Yoke ist gleichzeitig USB-Hub.
Bereits veröffentlicht ist eine separat erhältliche Throttle-Einheit, die der bereits im Lieferumfang enthaltenen Einheit gleicht und diese, via USB-Anschluss, sinnvoll erweitert. Ideal also für zweimotorige Maschinen. In diesem Falle lassen sich auch die farbigen Kappen an den Hebeln für Schub, Propeller- und Gemischverstellung abziehen und ersetzen, so dass man bspw. beide Schubhebel nebeneinander hat. Die neue Zuweisung der Achsen kann man entsprechend im Flight Simulator vornehmen – schnell und praktisch.
Ärgerlich, und ein sehr großer Nachteil, ist das extrem kurze USB-Kabel des Yokes. Bei meinem Test-Setup war es nur möglich, die Einheit am vorderen USB-Anschluss des Rechners anzuschließen. Ein Meter Kabel ist schlichtweg zu wenig, um das Gerät an anderer Stelle anzuschließen. Der geneigte Käufer sollte also abwägen, ob die Kabellänge für sein individuelles Setup ausreicht oder ob man nicht eine USB-Kabelverlängerung zusätzlich kaufen muss.
Zahlen…
Der Yoke braucht Platz. Viel Platz. Wie weiter oben schon beschrieben, lassen sich Yoke und Throttle an einer Tischplatte fixieren. Diese darf immerhin knapp über fünf Zentimeter dick sein. Der innere Abstand zwischen den Hörnern beträgt 20 Zentimeter. Die Tiefe des Yokes beträgt 25 cm. Entsprechend gestaltet sich der Abstand zum Monitor. Kleine Bildschirme können praktischerweise auf dem Yoke platziert werden. Und man braucht auf dem Schreibtisch dann auch noch unbedingt Platz für Tastatur und Maus. Platzmangel ist vorprogrammiert. Und sind Yoke und Throttle fixiert, sind Eingaben über Maus und Tastatur alles andere als angenehm.
Fazit
Saitek hat zweifelsohne den großen Wurf gelandet. Für 140,- € bekommt man sehr viel Gegenleistung. Dies lässt auch die angesprochenen Negativpunkte überwiegen. Die problematische Steuerung um die Querachse kann auch ein Produktionsfehler am Testgerät sein. Ansonsten macht das Produktkonzept einen äußerst positiven und durchdachten Eindruck. Das Fliegen am heimischen PC wird dadurch deutlich aufgewertet.
PRO | CONTRA |
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INFORMATION | TESTSYSTEM |
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Holger Kistermann