Die kleinen Jets von Fokker, zu denen hatte ich bisher keinen Bezug. Aber im MSFS war ich schon lange auf der Suche nach einem Flugzeug aus der Zeit, als es noch keine Computer an Bord gab und die Navigation nur über Funk lief. Das bietet JustFlight’s Fokker 28, ist aber daneben auf dem aktuellen Stand der Technik, was die Unterstützung durch EFB auf dem Tablet angeht, und ist noch dazu ein ganz toll umgesetzes Flugzeug, dass ich euch mit diesem Review nahebringen möchte.
Das Original
Die Fokker 28 “Fellowship” ist ein Kurzstreckenflugzeug mit 65 (-1000, -3000) bis 85 (-2000, -4000) Sitzplätzen, Erstflug 1967, wurde produziert bis 1987, insgesamt gab es 241 Exemplare, bei 45 Totalverlusten (laut Wikipedia: Stand 2019) ein ziemlich unsicheres Flugzeug. Die Bauweise Tiefdecker, hohes Leitwerk, zwei Triebwerke im Heck entsprach im Wesentlichen den Konkurrenten, bekannt vor allem die DC-9. Eine Besonderheit der Fokker 28 ist der Verzicht auf Umkehrschub, stattdessen gibt es automatisch ausfahrende Klappen, sogenannte “Lift Dumpers” auf den Flügen, und zusätzlich eine Luftbremse im Heck. Ein nicht luftfahrthistorisch vermutlich nicht besonders bedeutendes Flugzeug, dessen Wikipedia-Artikel deutlich kürzer ist als der Artikel mit der Liste der Zwischenfälle.
Das verspricht der Hersteller, Kauf und Lieferumfang
JustFlight verspricht ein Modell, das anhand von Erfahrungen mit einem echten Exemplar der F28 entwickelt wurde, bei dem alle Schalter, Knöpfe, Hebel bedienbar sind (bis in die Kabine hinein!), mit hochaufgelösten Texturen und selbst entwickelten Systemen für Treibstoff, Pneumatik, Hydraulik und Elektrik (mehr gibt es in so einem alten Flugzeug ja auch nicht).
Angekündigt werden unter anderem noch detaillierte Modelle für die jeweiligen Bemalungen (einschließlich der Kabine), Wingflex, eigens erstelltes Ground Equipment und optionale Hushkits (den Abgasstrahl formende Auslässe) und äußere Hochfrequenzantennen. Zusätzlich ein Tablet (heute Standard), mit dem alle Details des Modells gesteuert werden können.
All das gibt es für 64,41 € unter anderem im simMarket. Geliefert wird eine 3,5 Gb große Zipdatei, die einen klassischen Installer enthält. Nach dem Entpacken belegt das kleine Flugzeug knapp 7,5 Gb auf der Festplatte und kommt mit einem Handbuch für das Electronic-Flight-Bag-Tablett und einem Operations Manual einschließlich einem Tutorialflug (passende Situationsdateien sind mitgeliefert).
Im Cockpit
Für einen ersten Eindruck habe ich mich ganz ohne Handbuch in das Flugzeug gesetzt und versucht, es in die Luft zu bekommen. Mich erwartete ein ganz klassisches Cockpit aus der Zeit. Hatte ich nicht davon gesprochen, dass es keine Schubumkehr gibt? Die entsprechenden Hebel an den Throttles sind für die Lift Dumpers. Übrigens Throttle: Es gibt hier zwei Sätze von Schubhebeln.
Das klappte eigentlich ganz gut – mit der Besonderheit, dass einen Hebel gibt, mit dem die Steuerhörner und Pedale gegen Böen geschützt werden können – den Gust Lock, das ist der blaue Hebel rechts der Kapitäns-Armlehne. Und wenn der nicht bedient wird, dann bewegt sich eben nichts.
Und eine weitere böse Falle: Die beiden Schalter mit “Master Radio” steuern nicht nur den Funk, sondern die gesamte Avionik. Ohne sie kommen wir zwar in die Luft, haben aber weitgehend keine Fluginstrumente.
Aber das Overhead Panel ist vergleichsweise einfach zu bedienen und gut schematisch dargestellt. Schön: Beim Triebwerksstart konfiguriert sich die Klimaanlage selbst, so dass wir dafür auch genug Luftdruck haben.
Insgesamt gefällt mir das Cockpit gut, alles ist scharf und gut lesbar. Ein Klick auf die Takeoff-Speeds setzt übrigens automatisch die Bugs in der Geschwindigkeitsanzeige.
Wenn dann die Triebwerke laufen kann es an die erste Runde gehen. Für mein Gefühl fliegt sich die Maschine sehr gut per Hand, und Spaß macht es mir besonders, mit solch rudimentären Autopiloten, die nur Kurs, VOR, Höhe, Anstellwinkel oder IAS halten können, von VOR zu VOR zwischen Regionalflughäfen oder solchen größeren Flughäfen zu fliegen, bei denen das noch möglich ist. Gerne auch bei Nacht – es ist schön, zu sehen, dass man am Ende da rauskommt, wo man hinwollte, ohne dass der Flieger eine vorprogrammierte Route automatisch abfliegt – deswegen habe ich mich auch geweigert, das GPS zu verwenden, das optional nutzbar ist.
Ist man in der Luft, werden alsbald Ansagen abgespielt, die allerdings nicht klar verständlich sind sondern einigermaßen dumpf klingen – was mir sehr gut gefällt und vermutlich besser zur Geräuschkulisse eines Cockpits passen als die anderen, klar verständlichen Ansagen aus anderen Modellen. Wer mag kann übrigens eigene Musik einfügen, die dann zum Beispiel beim Rollen gespielt wird.
Bedienung über das Tablet
Heute ist es ja üblich, Flugzeugsimulationen über ein Tablet zu bedienen. Das passt hier nicht unbedingt in die Zeit, aber es funktioniert dennoch ausgezeichnet, und das Tablett kann man per Clickspot ohnehin verschwinden lassen.
Auf dem Tablett lassen sich SimBrief-Flugpläne und Navigraph-Charts anzeigen, was ich mangels Accounts leider beides nicht testen konnte – was ich aber sehr begrüße ist die Notizenfunktion, mit der ich mir meine VORs und die Kurse und Entfernungen dazwischen einfach und schnell als Text eingeben kann (Copy-Paste hat bei mir leider auf Anhieb nicht funktioniert), oder auch per Mauszeiger was kritzen kann (ok, ob das so sinnvoll ist würde ich mal dahingestellt lassen). Natürlich lässt sich hier einiges konfigurieren, es gibt eine schöne Checklistenanwendung und auch einen ToD-Calculator (das gehört aber zum Spaß dazu, den ToD händisch mit der Regel Sink Rate= 5*Airspeed =3° und 10.000 Fuß in 30 NM abzuschätzen, das lasse ich mir nicht nehmen).
Bei den Einstellungen lässt sich übrigens auch festlegen, dass die MSFS-Avatare im Cockpit als Copilot Platz nehmen.
Die Kabine
JustFlight’s F28 ist das erste Flugzeug, bei dem mir die Bedienung der Lichter in der Kabine untergekommen ist – hier ist wirklich eine ganze Menge bedienbar. Auch die Türen lassen sich per Mausaktion öffnen.
Die Kabine ist insgesamt gut getroffen, aber bei der Animation der Passagiertische und Luftauslässe ist dann doch mal Schluss mit der Detailverliebtheit.
Genug vom Innenraum, ab nach draußen!
Das Äußere
Außen setzt sich der bisher sehr gute Eindruck fort. Im Walkaround gibt sich JustFlight’s F28 (hier die Mk1000) keine Blöße.
Kurzer Check der Reifen und des Fahrwerks.
Die Treppe ist außen übrigens beleuchtet, damit nachts niemand stolpert.
Die Luftbremse, ähnlich der BAe 146, möchte ich euch nicht vorenthalten.
Hier ein Bild der Fokker bei Nacht und voller Beleuchtung.
Fazit
JustFlight’s Fokker 28 ist genau die Art von Flugzeug, die mir im MSFS lange gefehlt hat, nachdem ich in Prepar3d und FSX gerne mit L1011, DC-9 und 727 (in X-Plane) unterwegs war – ein Flugzeug ohne Bordcomputer, mit klassischer Funknavigation, aber dennoch ein Jet, und bedienbar, ohne vier Crewmitglieder gleichzeitig zu sein. Eben die Periode der Luftfahrt der 70er Jahre. Noch dazu ist das Modell mit viel Liebe zum Detail umgesetzt, das Tablett insbesondere mit der Notizenfunktion hilft mir, trotz VR-Brille auf meine Tabellen zu schauen.
Ist der Preis von 64 Euro überhöht? Die Maßstäbe haben sich etwas gewandelt, bei PMDG zahlt man deutlich weniger für eine vergleichbar detaillierte, aber natürlich viel moderner und komplexer ausgestattete 737, andererseits ist die MD-80-Serie deutlich teurer. Ich finde, für das Gebotene ist der Preis nachvollziehbar, und ich bin mir sicher, mit dem Flieger sehr lange Spaß zu haben – immer dann, wenn ich von VOR zu VOR und mit nur rudimentärer Planung Feierabendflüge durch die Welt machen möchte.
Informationen
Pro | Contra |
Sehr detailliertes Simulationsmodell Viele Details, bis hin zur Bedienung der Lichter aus der Kabine heraus Tablet mit Notizenfunktion | |
Testsystem | |
Entwickler: JustFlight Preis: 64,41 € Kauf: simMarket | AMD Ryzen 5 5800X3D @ Stock Speed Meta Quest 2 (Kabel) GeForce GTX 4070ti, 12 Gb Windows 11×64, 32 Gb Hauptspeicher Diverse SSD |
Dr. Patrick Seiniger
Das von dir bewertete Flugzeug passt zwar nicht ganz in mein Beuteschema, finde es aber dennoch toll, welch hohe Aufmerksamkeit den einzelnen Features geschenkt wurde 🙂
Danke für das erstklassige Review, außer hier bei Simflight.de findet man das sonst nirgens!