Review: Aerosoft Approaching Dortmund (P3Dv4)

Flugsimulation, das ist immer auch ein wenig Fernweh, das Besuchen von Zielen, die man in der Realität nicht erreichen kann. Wie für mich als Wahl-Kölner zum Beispiel Dortmund, das hinter etwa 100 km Parkplatz mit Standspur liegt. 

Dortmund hat knapp unter 600.000 Einwohner, liegt am östlichen Ende des Ruhrgebiets, und um die Klischees abzuhandeln: Fußball, Westfalenstadion, Borussia Dortmund, und das, was man so von außen als Ruhrgebietsromantik bezeichnet. Für die Industriegeschichte: Stahlwerk Phoenix, Phoenix-See, Kokerei Hansa, geschlossen seit 1992. Für die AvGeeks: Der Flughafen Dortmund war die Heimatbasis von EuroWings. Gegründet Ende der 1960er Jahre, stückweise ausgebaut, und seit 2000 mit einer 2000 m langen Bahn ausgestattet. Leider immer noch ein wenig kurz und mit Gewichtsbeschränkungen, so dass EdForce One, eine 744, 2016 dort nicht landen konnte. In Dortmund sind mittlerweile im Wesentlichen Billigflieger unterwegs: EasyJet, immer noch EuroWings/GermanWings, RyanAir, SunExpress, WizzAir.

Für die FSX-basierten Simulatoren hat Christian Bahr schon vor einiger Zeit ein sehr detailliertes Modell von Dortmund – als Freeware! – veröffentlicht. Die letzte Freewarefassung war von 2014, und gerade von einigen Monaten hatte ich mal wieder geschaut, ob er im Zuge seiner Mülheim-Konvertierung auch was an Dortmund gemacht hat. Hat er – und er veröffentlicht es in einer überarbeiteten Version nun bei Aerosoft, die daraus ein Gesamtpaket mit der P3D-v4-Fassung des 2012er Airports Dortmund-Wickende machen.

Vorbemerkung

Das öffnet direkt zwei Diskussionsstränge: Einerseits natürlich die Updatepolitik von Aerosoft, die nur leicht überarbeitete, aber schon mehrere Jahre alte Flugplätze aus FS2004-Zeiten mit dem Siegel “Professional” für P3D v4 herausbringen.  Dann aber auch: Hier ist eine ehemalige Freeware, die nun Teil einer Payware geworden ist, die im Kern aber vermutlich auch in P3D v4 laufen würde. Und beides beeinflusst nun diesen Artikel: Zunächst, ob das Produkt überhaupt einen Artikel wert ist. Dann: Wie umgehen mit dem Freeware-Payware-Thema? Und : Wie bewerten wir die Überarbeitung von EDLW? Nun, objektiv. Und Dortmund-City? Auch objektiv, so wie es ist, und wie viele von uns es vielleicht schon kennen. Denn ich glaube, wir alle gönnen unseren Simmer-Enthusiasten-Kollegen, dass sie mit ihrer Arbeit, die wir schätzen, auch ein wenig Geld verdienen. Und aus der Entscheidung, beide Teile des Produkts objektiv zu bewerten, leitet sich dann auch die Motivation für den Artikel ab: Dortmund ist eine wichtige Stadt in Deutschland, die gerade als Gesamtpaket mit Flugplatz erschienen ist, und das verdient einen ersten Eindruck.

Das verspricht der Hersteller, Installation, Lieferumfang

Der Hersteller geht im Klappentext eigentlich nur auf die Neuheiten bei EDLW ein, im Wesentlichen sind das Anpassungen an Prepar3d, wie zum Beispiel dynamische Lichter auf dem Vorfeld, ein neu kompilierter Boden. Dann gibt es heute übliche Anpassungen wie die bewegten Jetways, ein modifiziertes und aktuelles Afcad. Es gibt automatisch schaltende Beleuchtungen und automatisch umstellende Jahreszeitentexturen. Schön ist auch eine Verbesserung des Geländemodells, gerade in Dortmund mit der “Auffahrt” zum GA-Bereich ist das wichtig. Es ist aber auch klar: Am Grundflughafen ist nichts verändert.

Was leider nicht erwähnt wird ist die Stadtszenerie. Deshalb habe ich Christian gefragt, was sich im Vergleich zu seiner Freeware-Version geändert hat:

“Es sind […] neue und aktuelle Luftbilder für Dortmund und Hengsen hinzugekommen. Diese wurden dann an FTX Germany North farblich angepasst. Weiter zu erwähnen wäre, dass es einige neue 3-D Modelle gibt. Zum einen das neue DFB Museum am Hauptbahnhof und einige weitere weniger bedeutende Gebäude Dortmunds. Eines darf aber nicht unerwähnt bleiben: Dortmund wurde während der Beta-Testphase von Grund auf optimiert. Das heißt, dass viele Texturen zusammengelegt wurden. So wurden dann zirka 40 Textur-Maps (a 1024x1024px) eingespart. Diese recht aufwendigen Optimierungen sorgen dann dafür, dass Dortmund lediglich einen durchschnittlichen VAS Verbrauch von 177MB hat. Auch die Ladezeiten von Gebäudetexturen wurden durch die Optimierungen deutlich verkürzt.”

Und außerdem gibt es nun eben ein Paket, in dem neben der Innenstadt und dem Flughafen noch das Segelfluggelände Hengsen-Opherdicke und einen Hubschrauberlandeplatz am Klinikzentrum Nord enthalten sind.

Approaching Dortmund P3Dv4 gibt es für 19,94 € oder als Update für Besitzer des alten Flughafens für 12,97€, entweder im simMarket oder bei Aerosoft. Die Szenerie kommt mit einer ausführlichen Anleitung, der Download ist 2.4 Gb groß und belegt letztendlich 2,7 Gb auf der FluSi-Platte. Während der Installation kann der Installationsort frei gewählt werden – lobenswert und leider kein Standard. Man kann übrigens auch wählen, ob Stadt und Flugplatz zusammen oder nur einer der beiden Teile installiert werden soll. In dem dann gewählten Verzeichnis gibt es übrigens eine klare Trennung: ein Verzeichnis für Stadt, Land und Segelflugplatz, ein Verzeichnis für EDLW.

Nach der Installation finden sich konsequenterweise auch zwei verschiedene Konfigurationstools im Verzeichnis, eins für die Stadt, eins für den Flugplatz, und wie so oft bei neueren Aerosoft-Produkten gibt es einen Kartenbetrachter, den ich aber nicht installiert habe.

 

Der Flughafen Dortmund-Wickede

Beginnen wir mal mit einem Überblicksbild: EDLW passt sich ziemlich gut in die Umgebung ein, die in Richtung Westen aus Fotoszenerie, in Richtung Osten relativ bald aus FTX Germany North besteht. Es scheint mir aber, als wäre die FTX-Welt etwas kraftvoller gefärbt als die Fotoszenerie hier am Flugplatz.

Der mit Sicherheit unvorteilhafteste Aspekt des Flughafens sind die Bodentexturen im Bereich von Bahn und Rollwegen; sie sind tatsächlich Stand 2012, sehr unscharf und grob aufgelöst. Das kannte man teilweise auch 2012 schon besser.

Auch den Gebäuden und den Bodentexturen in diesem Bereich merkt man das Alter durchaus an.

Im Bereich der Rampe, die in Dortmund vom Niveau der Rollbahnen hoch zum Bereich der GA geht, fällt eine unterschiedliche Farbgebung auf. Aber ich meine mich erinnern zu können, dass diese Rampe im FSX irgendwelche Probleme bereitet hat, und das macht sie hier nicht.

Hier ein paar Fotos der übrigen Gebäude. Es gibt übrigens ausreichend Bodenverkehr, der sich im Konfigurationstool abschalten lässt, und Verkehr auf den angrenzenden Straßen.

Sollten euch auf diesen Feldern die eigenartigen Jetways auffallen: Das sind wohl Passagiertunnel, die in der Realität statisch sind.

Letztendlich ist EDLW halt ein Flughafen auf dem Stand von 2012, der anhand des neuen SDK in Prepar3d v4 transferiert wurde. Mit der Performance hatte ich keine Probleme, sie lag mit ca. 25 FPS in der NGX und mit nicht zu knappen optischen Einstellungen im Rahmen dessen, was ich auch auf anderen Flugplätzen habe (und damit ist das besser als in den 32-Bit-Simulatoren, soweit ich mich entsinnen kann).

Die Nachtbeleuchtung anhand dynamischer Lichter tut grundsätzlich, was sie soll: Sie beleuchtet nachts zum Beispiel auch die AI-Flugzeuge. Ich finde sie nur viel zu gleißend. In einem Facebook-Forum habe ich Bilder mit schwarzen AI-Flugzeugen gesehen: Ja, das kam bei mir auch kurz vor, bis die Texturen geladen waren. Grundsätzlich klappt es aber mit der Beleuchtung (beachtet zum Beispiel den Bug der EasyJet-Maschine).

Gerade aus der Ferne sieht man nochmal, welche Mengen an Licht hier zusammenkommen.

Hier die Landebahnbeleuchtungen und sonstigen Lichter, die ich wiederum nicht so schlecht finde.

Jetzt die entscheidende Frage: Kann man mit dem Flugplatz leben? Hier ein paar Impressionen aus dem Flugbetrieb, und ich finde, es geht schon irgendwie. Am störendsten für den realen Flugbetrieb mit alten Maschinen sind sicherlich die schwer lesbaren Positionsangaben unter den Gates (die benötigt werden, um ein eventuelles CIVA-INS zu füttern!), aber deutlich besser als der Prepar3d-Defaultflughafen ist es schon. Noch dazu ist immerhin die Performance zeitgemäß.

Und so sieht das dann im bewegten Bild aus, bei einer Platzrunde mit der 737.

Stadt, Land, Fluß

Entgegen dem Fußball-Klischee möchte ich den kleinen Rundgang um Dortmund heute mal mit Industriekultur starten: mit dem Hochofenwerk Phoenix-West, das bei Anflug aus Westen prominent links zu sehen ist.

Der Phoenix-See entstand nach Abbau des Stahlwerks Phoenix-Ost.

Direkt angrenzend, früher vermutlich noch mehr als heute im Kontrast, liegt die Hörder Burg.

Die Kokerei Hansa ist leider nicht as 3D-Objekt vorhanden, sondern nur auf der Fototextur erkennbar.

Schön getroffen dafür der Hammerkopfturm der Zeche Minister Stein. Ein Hammerkopfturm ist im Prinzip eine besondere Art eines Fördergerüstes.

Aber nicht nur Industriedenkmäler gibt es, sondern im Hafengebiet auch bewegte Kräne und eine mir unbekannte chemische Anlage.

Kommen wir wieder zum Klischee: Die “gelbe Wand” im Westfalenstadion beziehungsweise Signal Iduna Park. Daneben die Westfalenhalle, alles eingebettet in ein Gesamtensemble.

Weiter im Osten folgt die Signal-Idunaa-Hauptverwaltung und der Florianturm.

Die mir fast unbekannte Dortmunder Innenstadt lebt von der großen Menge an schön dargestellten Gebäuden.

Das Klinikzentrum verfügt über einen kleinen Hubschrauberlandeplatz. Der Platz selbst sieht etwas grob aus, aber der Abfallcontainer im Hintergrund, das Wohnhaus im Hintergrund im rechten Bild und allgemein das Krankenhaus, die finde ich schön getroffen.

Die Siedlung Eberstraße hat mich zunächst von oben an die Bauten des “Neuen Frankfurt” aus den 1920er Jahren erinnert, kurze Recherche zeigt aber: Aus Industrie mach Wohnraum, Neunziger Jahre.

Im Nordosten findet sich die Hochhaussiedlung Scharnhorst, der Christian ein eigenes 3D-Modell gegönnt hat. Ich kenne mich in Dortmund zwar nicht aus, aber mir scheint Scharnhorst vergleichbar mit der Nordweststadt in Frankfurt, Gropiusstadt in Berlin, und ähnlichen, Ende der 60er Jahre gut gemeinten Siedlungen.

Damit sind wir mit der eigentlichen Stadt schon fast durch – von hier ist es nicht mehr weit zurück zum Flughafen.

Die wesentlichen Gebäude von Dortmund haben übrigens eigene Nacht-Texturen erhalten. So sieht es hier nachts aus:

Zum Abschluss ein Video eines Rundflugs mit der Piper, der aber noch einiger erklärender Worte bedarf: Bei Orbx FTX Germany sind die Jahreszeiten anders verteilt als im Standard-Simulator, beispielsweise beginnt der Winter später. Bei Fototexturen, die – soweit ich das SDK kenne – hardkodiert Jahreszeitenzuordnungen enthalten, ist es schwierig, diese Anpassung vorzunehmen. Christian hat mir deshalb empfohlen, den Jahreszeitenwechsel bei Orbx auf Standard umzustellen (das geht im Control Panel), dann passt es wieder. Das hatte ich für dieses Video aber nicht gemacht – und deshalb sind die Szenerie-Grenzen eigentlich ganz gut sichtbar!

Flugplatz Hengsen-Opherdicke

Als Addon gibt es ein Modell des Segelfluggeländes Hengsen-Opherdicke. Legal dürftet ihr hier nur am Wochenende bei Tageslicht fliegen, und auch nur mit Seglern, Motorseglern, Ultraleicht und Maschinen bis 2 Tonnen Abfluggewicht. Nichtsdestotrotz sitzen die Segelfliegerinnen und Segelflieger doch auch im Sommer bis weit nach Sonnenuntergang am Platz.

Dichte der Bebauung, Performance

Bei meinen Flügen hatte ich das Gebäude-Autogen auf “Normal” gestellt. Dadurch sieht die Innenstadt etwas leer aus. Wer den Performance-Verlust riskiert und es auf “Extreme” stellt, erhält eine deutlich vollere Ansicht (Sommer/Winter):

Dazu habe ich euch auch noch ein Video aufgezeichnet. Die Performance liegt stets knapp unter den gelockten 20 FPS, denn das ist ursprünglich ein 4K-Flug gewesen. Ich war überrascht, das meine GTX 970 das so hinbekommen hat! Das Video selbst ist leider nur Full-HD und komprimiert, so dass es dem Flug eigentlich nicht gerecht wird.

Überhaupt, Performance: Auf meinem dezent übertakteten Rechner hatte ich in 2D überwiegend keine Probleme, in der Rift ist es auf der Innenstadt knapp an, aber immerhin über der Grenze. Der Flughafen selbst ist generell weniger performancefordernd als die Stadt. Ich habe aber von Kollegen durchaus von Performanceeinbrüchen – nur über der Stadt – gehört. Eventuell hilft da der Konfigurator weiter.

Was sonst noch?

Es gibt mittlerweile übrigens ein Update auf Christian’s Seite, das kleinere Ungenauigkeiten im Stadtgebiet korrigiert. Und noch ein Hinweis: am Besten alle Dateien aus dem Scenery-Ordner von Orbx GEN entfernen, die EDLW oder EO08 enthalten, dann gibt es keine Probleme mit doppelten Gebäuden.

Fazit

Wie eingangs schon erwähnt, ist es sicher nicht ganz einfach, dieses Produkt vollständig objektiv zu beurteilen. Da ist der Aspekt, dass Christian Bahr’s Dortmund früher mal als Freeware verfügbar war. Dann ist da ein Flugplatz, der nur in Grenzen über den Stand 2012 hinaus modernisiert als “Professional”-Version veröffentlicht wird. Und dann schwebt über allem der Preis von knapp 20 Euro, der selbst im Update noch bei knapp 13 Euro liegt. Ist dieser Preis gerechtfertigt?

Nun, angesichts der tollen Umsetzung von Dortmund – ja. Und selbst wenn es keine besonders großen Unterschiede zur Freeware-Fassung gibt, die möglicherweise auch in P3Dv4 lauffähig ist (ich habe es vorher nicht ausprobiert) – objektiv ist alleine das Stadtmodell jeden Cent wert. Ich würde es als eine Möglichkeit sehen, einem Freeware-Entwickler mit tollen Szenerien etwas zurückzugeben.

Zum Airport: Da gibt es zwei Betrachtungsrichtungen.  Einerseits liegt er ganz klar unter heutigen Standards, besonders bei den Bodentexturen. Andererseits ist er trotzdem brauchbar, aber halt auch nicht weit von der Version von 2012 (und 2008!) entfernt. Und – es gäbe sonst überhaupt keine Umsetzung von Dortmund, die in P3D v4 anfliegbar ist. Der Vollpreis wäre für den Airport alleine sicher viel zuviel, aber im Gesamtpaket ist das verschmerzbar. Schade wiederum für diejenigen von euch, die an der Stadt selbst kein Interesse haben, sondern nur an einem Fix von EDLW interessiert sind.

Informationen

Pro Contra
  • Sehr detaillierte und liebevolle Umsetzung der Stadt Dortmund
  • Gesamtpaket mit Flugplatz Hengsen-Opherdicke
  • Flughafen Dortmund EDLW mit altbackenen Boden- und Gebäudetexturen
  • Performance über der Stadt fällt leicht ab gegenüber dem Flughafen
Informationen Testsystem
  • Intel Core i5 3570K, 4.3 Ghz
  • GeForce 970, 4 Gb
  • Windows 10×64, 24 Gb Hauptspeicher
  • Intel SSD
  • Oculus Rift CV1
  • Prepar3D V4.1, FTX Trees HD, FS Global 2010

Dr. Patrick Seiniger

 

 

3 Kommentare
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Bodo
Bodo
6 Jahre zuvor

Komische Logik, Dortmund von Köln aus in der Realität nicht erreichen zu können.

Ich empfehle da den ICE von Köln HBF Richtung Berlin. In Dortmund dann aussteigen und schon ist man vor Ort. Ohne 100 Km Parkplatz mit Standstreifen.

Schönes Wochenende.

Christian
Christian
Beantworten  Bodo
6 Jahre zuvor

Gehst Du zum lachen in den Keller? 😉 Ich fand Patricks Satz als Einstieg ins Review sehr gelungen…

Mike
Mike
6 Jahre zuvor

“Dortmund, das hinter etwa 100 km Parkplatz mit Standspur liegt.” Der war gut 🙂
Danke für das umfangreiche Review.
Aber warum Auto, ICE oder sonstiges nehmen, wenn wir doch auch fliegen können 😉