Die Regionalfliegerei erfreut sich derzeit einer gewissen Beliebtheit bei den Flusi-Piloten. Gibt es inzwischen doch eine schöne Umsetzung der Fokker 70 und 100, der Jetstream 41, der Dash 8 (bald sogar von zwei verschiedenen Anbietern), der ERJ 170/190 Serie von Wilco und Feelthere, die dann jetzt auch die ERJ 135 / 145 für den FSX neu aufgelegt haben. Oskar Wagner und Ingo Voigt haben sich die 2. Edition des ERJ Paketes mal angeschaut.
Download und Installation
Bisher gibt es das ERJ Paket ausschließlich bei Wilco und Feelthere. Der Preis variiert etwas – wer keine Märchensteuer zahlen muss, bekommt die ERJ bei Wilco bereits für 33,02€. Wer Mehrwertsteuer zahlen muss muss 39,90€ aufwenden, oder sich das ERJ Paket direkt bei feelThere für 47USD kaufen. Hier hat man also die Qual der Wahl.
Nach dem Kauf läuft ein knapp 170MB großes Paket durch die Leitung, das einem dann folgende Flieger auf die Platte spült:
- 5 Bemalungsvarianten der ERJ 135
- 6 Bemalungen der ERJ 145
- und die ERJ 145XR (immerhin 2,000nm Reichweite) in Embraer Hausfarben
Außerdem kommt die ERJ mit einem 80-Seitigen Manual daher und bringt einen Configurator mit.
Wem das noch nicht langt, der kann noch zwei Bemalungspakete der McPhat Studios zu jeweils 11,90€ (rep. 9,83€ exklusive Mehrwertsteuer) käuflich erwerben. Im ersten Paket sind verschiedene Bemalungen enthalten, während das zweite Paket für Freunde der British Airways ist, da ausschließlich BA Bemalungen enthalten sind. Dazu später mehr.
Die Installation ist problemlos und hier soll mal angemerkt werden, dass man bei Wilco und Feelthere bis heute dabei geblieben ist, dass ein Downloadlink und eine Serialnummer als Absicherung genügt und der Käufer hier weder Key Files noch eine Form der Anmeldung über das Internet notwendig ist – Danke, Feelthere!
Dokumentation, Support und Config Editor
Um sich mit der ERJ vertraut zu machen und auch Probleme zu lösen steht einerseits eine 80-Seitige Anleitung zur Verfügung und es gibt darüber hinaus auch noch den Support von Wilco und das Feelthere Forum.
Die Dokumentation enthält fast alles, was man braucht und ist sehr kurz und knapp geschrieben. Neulinge in Bezug auf komplexe Airliner dürften hier schnell verloren sein. Es steht bis auf Performance Charts auch alles Wesentliche im Handbuch, aber die Abhandlungen sind schon arg knapp. Wer mehr Informationen braucht ist auf Hilfe in den verschiedenen Foren und eben die Such-Engines dieser Welt angewiesen.
Das hätte man meines Erachtens durchaus besser machen sollen (können allemal).
Der Konfigurations-Editor ist praktisch und Käufern von Wilco/Feelthere Produkten sicherlich vertraut. Hier findet man in einem Editor fast alles, was man braucht. Ob man jetzt die Beladung einstellen will, Einstellungen zu den Refresh-Raten der Cockpit-Anzeigen, die Voreinstellung der Flight Director-Bars, die Lautstärke von Sounds, es bleiben eigentlich keine Wünsche offen. Ein grober Fuel Planer hätte die Sache noch abgerundet, speziell unter dem Hintergrund, dass in der Anleitung auch keine Performance Tabellen zu finden sind.
Außenmodelle
Drei Modelle spendiert Wilco/Feelthere dem Paket. Die ERJ135, die ERJ145 und die ERJ145XR (extended Range). Alle 3 Modelle überzeugen meines Erachtens im FSX und vermitteln gut den Eindruck tatsächlich vor einem ERJ zu stehen. Bei einem Außenmodell kann man ja immer 3 Aspekte untersuchen: Proportionen, Texturen und Animationen. Mir gefällt alles bei den ERJs ausgesprochen gut. Das ERJ Paket ist sicherlich was das Außenmodell angeht kein Innovationstreiber aber gute, solide Handwerksarbeit, die sich keinesfalls verstecken muss.
Zu den Proportionen: sie stimmen – schlicht und ergreifend. Jede der modellierten ERJs sieht ordentlich aus und man braucht nun wirklich keine Phantasie, sich das reale Gegenstück vorzustellen. Die Texturen sauber verarbeitet – bei genauem Suchen habe ich endlich gefunden, dass im rechten Wing View die Textur auf einem Flap Fairing spiegelverkehrt ist, aber zum einen stört das nicht wirklich und man muss in der Tat suchen. Animationen sind reichlich vorhanden und auch in der Regel stimmig (also die Ausschläge passen und sind nicht übertrieben, oder das Timing stimmt). Einzig mit der Blink-Frequenz des Beacons und der Strobes habe ich ein Problem. Die Blinken schon arg und unrealistisch nervös. Das Problem scheint bei Feelthere allerdings bekannt zu sein – klick. Bei der ERJ145XR sind dann gleich einige Leuchten deutlich verrutscht, aber das Problem ist bekannt und eine Lösung in Aussicht.
Nett sind die Kondensstreifen bei besonders steilen Kurven.
Auch mit Bemalungen sieht es gut aus. Zuerst kommen einmal einige Bemalungsvarianten im Standard Paket einher und zum Zweiten gibt es zwischenzeitlich reichlich Freeware-Bemalungen und wem das noch nicht genügt, der kann sich die Zusatzpakete von McPhat Studios kaufen.
World Airliners Pakete
Zu den Airliner-Paketen. Um es vorweg zu nehmen, ich stehe solchen Zusatzpaketen sehr skeptisch gegenüber. Natürlich sind hochauflösende Texturen eine tolle Sache und es ist schön, wenn der Flieger toll aussieht, aber für mich ist es nicht der Kern der Flugsimulation.
Was bietet das Paket – für knapp 12€ fließen gute 90MB durch die Leitung (Paket 1) und knappe 75MB für das zweite Paket, das ebenfalls mit knapp 12€ zu Buche schlägt. Erstellt wurden die Liveries von McPhat Studios und versehen die ERJs mit hochauflösenden Texturen in den verschiedenen Airline-Kleidern dieser Welt. Nur das zweite Paket ist eigentlich ausschließlich für BA-Fans geeignet.
Für mich sind Unterschiede zu den Standard-Bemalungen kaum zu erkennen. Die Texturen aus dem World Airliners Paket sind sicherlich etwas besser aufgelöst und klarer, aber für mich kein Kaufgrund.
Wer natürlich genau diese Bemalungen sucht, oder brauchen kann, findet in den Paketen womöglich seine Erfüllung. Wer keine Schmerzen damit hat für Bemalungen extra Geld auszugeben, macht mit den 12€ Investitionen gewiss keinen Fehler.
Zum Vergleich oben eine Standard-Bemalung und darunter eine Bemalung von McPhat aus dem ersten Bemalungs-Paket
2d Panels & VC
Bei den Cockpit-Repräsentationen zieht sich das gleich Bild wie beim Außenmodell weiter. Man findet gute, solide Handwerksarbeit. Sowohl virtuelles Cockpit als auch 2d Panel sind gut zu gebrauchen. Im VC kommt die Stimmung des doch recht engen ERJ Cockpits meines Erachtens besser herüber, während mir die Texturen im 2d Panel einfach mehr zusagen.
Gerade die Nachtbeleuchtung gefällt mir im 2d Panel besser, als im VC, da im VC ein Panel Flood Light eingebaut wurde, dass zusammen mit der Instrumenten-Beleuchtung eingeschaltet wird. Es ist aber oft usus, dass gerade zum Start nur die Instrumentenbeleuchtung eingeschaltet ist, um Streulicht-Einfall zu minimieren. Das ist sicherlich kein KO-Kriterium aber eben einer der Gründe, weswegen ich die ERJ jetzt nicht als Innovationstreiber bezeichnen würde. Hier haben andere Software-Schmieden schon gezeigt, wie es gehen, respektive aussehen kann.
Leider ausschließlich im 2d Panel ist dann noch ein HUD implementiert worden, das bei mir allerdings auch komplett den Dienst versagt hat.
Wer möchte kann noch die Helligkeit der MFDs verändern (den Sinn habe ich im Flusi noch nicht so recht verstanden) und hier auf ein interessantes Phänomen stoßen: im VC kann man auch die Helligkeit des EICAS verstellen, im 2d Panel allerdings nicht. Nichts desto trotz wird die Helligkeitseinstellung übernommen – drehe ich mir also im VC das EICAS extrem hell, bleibt es im 2d Panel genauso hell, ohne dass ich es dort einstellen kann. Kleinigkeiten …
Die Sicht nach links und rechts ist leider im VC wie bei den 2d Panels recht beschränkt. Vor allem, was den Blick nach hinten links und hinten rechts angeht. Benutzer von TrackIR sind hier eindeutig im Vorteil, während der Rest bspw. Visual Circling Approaches nach Gefühl und Donnerschlag fliegen muss. Die Abmaße des Cockpits sind hier bestimmt korrekt wieder gegeben, aber wie angesprochen – im realen Cockpit und mit TrackIR, kann ich mich einfach nach vorne lehnen, um besser nach hinten schauen zu können. Den Makel möchte ich aber nicht wirklich Wilco/Feelthere anhängen.
Navigieren kann man durch die Panels mittels Tastenkombinationen, oder das Mini-Icon-Panel.
Noch ein Ärgernis im VC sind die Yokes – diese sind genau im Weg, wenn man am PFD 2 etwas einstellen möchte. Wer also bspw. die V-Speeds automatisch einstellen lassen möchte, muss sich den Yoke aus dem Weg “schieben” oder “ziehen” und kann dann die gewünschten Einstellungen vornehmen. Am Boden ist das noch kein Problem, aber wer im Reiseflug oder Anflug die V-Speeds für die Landung einstellen möchte und beherzt am Yoke zerrt, kann schon mal das virtuelle Kabinen-Reinigungs-Kommando rufen. Das ist ungeschickt, soll aber demnächst behoben sein. TrackIR User sind hier wieder einmal im Vorteil.
Wer lieber als Passagier im Flugsimulator unterwegs ist, wurde auch von Feelthere bedacht. Es gibt eine virtuelle Kabine und auch einen vordefinierten Wing-View. Auch hier gilt, dass ordentliche Arbeit geleistet wurde, ohne Bäume auszureißen.
Sound
Der Sound des Paketes kommt von Turbine Sound Studios, TSS, und ist meines Erachtens extrem gut gelungen. Gerade die Lautstärken sind extrem gut getroffen – fährt man die Flaps hört man im Hintergrund was, aber das Geräusch ist nur beim Hinhören wahrnehmbar. Genau richtig für einen Flieger, wo Cockpit und Flaps-Spindeln und -Motoren doch ein ganzes Stück auseinander sind. Selbiges gilt für die APU – auch die säuselt im Hintergrund vor sich hin. Die Timings passen alle soweit und viele Schalter wurden auch mit Sounds versehen.
Der Triebwerkssound gefällt mir im Cockpit als auch in der Außenansicht extrem gut!
Einziger Wermutstropfen: der Sound der Fuel-Pumps ist einfach daneben. Der passt schlicht nicht ins Konzept, da es sehr nach Standard-Sprit-Pumpen Sound anmutet. Bei Feelthere schiebt man das auf einen FSX Bug (klick) und ich denke mir, dass man das hätte auch anders lösen können.
Call!
Call! ist eigentlich ein eigenständiges Produkt von Feelthere für die eigene Flotte. Call! ist quasi ein virtueller Copilot, der verschiedene Checklisten durchgeht. Die Idee ist sehr gut und die Umsetzung ansprechend. Man kann sich über ein kleines Fenster die verschiedenen Checklisten aufrufen. Klickt man eine Checkliste an, wird diese verlesen und die Checkliste ist erst “completed”, wenn auch wirklich alle Items abgearbeitet wurden. Das verpflichtet zu einer gewissen Disziplin und damit sicherlich auch zu einem realitäts-näherem Bedienen des Flusis. Die Checklisten im Handbuch sind auf die Verwendung mit Call! abgestimmt und sollte sich jeder auch genauer anschauen, der Call! verwenden möchte.
Ungünstig ist, dass keine Checklisten-Items übersprungen werden können und man ggf. in der Checkliste hängen bleibt.
Oski’s Teil
Ich werde in meinem Review-Teil hauptsächlich auf die Flugdynamik und die Bordsysteme eingehen. Trotzdem möchte ich einleitend nicht auf ein paar allgemeine Bemerkungen verzichten. Die ERJs kommen meinen Bedürfnissen insofern ziemlich entgegen, weil ich in meinem Multi-Screen Environment wenn immer möglich mit 2D Cockpit fliege. Diese werden von Wilco immer noch in bekannter Qualität angeboten und ich bin ganz froh darüber. Auch das VC lässt sich aber durchaus sehen – mit kleinen Abstrichen. In Sachen Cockpit ist die „Nähe“ zu der Legacy natürlich unverkennbar – was aber auch der Realität entspricht. Ein Wermutstropfen bleibt aber weiterhin die Verwendung der „Mouse-Wheel Click“ Funktion zur Synchronisierung von HDG und CRS, wie sie schon bei der Legacy und den 170/190 verwendet wird. Ich kriege das halt mit meiner etwas moderneren Maus einfach nicht mehr gebacken. Ein separater Clickspot in der Mitte des Drehknopfes wäre durchaus angebracht.
Einige Tasten im VC sind gegenüber dem 2D Cockpit nicht funktionsfähig. Dies ist aber bereits erkannt worden. Ein Patch sollte nächstens auf dem Weg sein. Interessierte können sich hier schlau machen. Ein Punkt, der mich ebenfalls gestört hat, sind die Yokes im VC, die halt in Gottes Namen einen Teil der Sicht auf die Instrumente verdecken.
Auch dies scheint erkannt worden zu sein. Auch der HUD – ebenfalls auf den Patch Liste – hat bei mir nicht funktioniert, obwohl ich die ERJs auf zwei verschiedenen Systemen installiert habe. Ich denke mal, dieser Fehler ist auf der Ebene GraKa/Treiber angesiedelt. Ich verwende auf beiden Systemen NVidia 9800GTX mit den neuesten Treibern.
Das Handbuch ist gegenüber der Legacy definitv verbessert worden und umfasst eigentlich fast alles, was das Herz begehrt – ausser Performance- und Fuel Consumption Tabellen. Die Fuel-Planung ist damit definitiv ins Cockpit delegiert worden. Das entspricht nicht so ganz den meisten SOPs.
Die Setup-Utility ist in der bekannten Art aller gängigen Wilco-Produkte. Für mich aber nicht mehr State-of-the-Art ist der Load Manager. Ein Fuel-Planner sollte inbegriffen sein und der geplante Fuel sollte in den Load Manager übertragen werden. Es mutet einfach archaisch an, wenn man in einem modernen Add-On noch ins FSX-Menu klicken muss, um den Fuel einzugeben. (Hmmm .. PMDGs Bae 4100 lässt grüssen) Abgesehen davon zeigt der Load-Manager ein etwas seltsames Verhalten. Die Idee dahinter war wohl, ein Überladen des Flugzeuges zu verhindern. Da dies aber fehlerhaft umgesetzt wurde, kann nicht einmal das MZFW erreicht werden. Zu guter Letzt noch eine humoristische Einlage, die aber keine negativen Konsequenzen hatte. Ich habe auf demselben Rechner noch die Legacy und die 170/190. Nach der Installation der ERJs wurde die bestehende NAV-Database durch eine Uralt Version aus dem Jahre 2006 überschrieben. Ich habe mich noch lange gewundert, warum das FMS ein paar Airways partout nicht erkannt hat …
Flugdynamik
Dazu zuerst auch ein paar allgemeine Bemerkungen. Die Beurteilung der Flugdynamik ist sehr schwierig und sehr oft subjektiv weil halt vor dem Bildschirm die direkte Verbindung zum Hintern fehlt. Sie ist auch stark von den individuellen Einstellungen der Steuer-Empfindlichkeit abhängig. Deshalb verwende ich grundsätzlich immer das gleiche Setup. Auf diese Weise kann ich die individuellen Unterschiede und Merkmale der verschiedenen Flugzeugtypen besser herausarbeiten. Meine Einstellungen sind wie folgt: Alle Ruderempfindlichkeits-Slider auf 100%, alle Ruderachsen mit FSUIPC kalibriert und auf den Wert -3 de-linearisiert. Damit oute ich mich natürlich als FSUIPC-Fan, muss aber gleichzeitig klarstellen, dass ich keineswegs am Erfolg von Peter Dowson’s Utility beteiligt bin – weder finanziell noch sonst irgendwie. Es ist für mich einfach nach langem Suchen und Experimentieren die beste Kombination, um aussagekräftige Resultate bei Vergleichstests zu erhalten. Aber – de gustibus non est disputandum – über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
Die ERJ-Modelle sind an sich einfach zu fliegen mit ein paar Eigenheiten im low-speed Bereich, die sich aber mehr auf die z.T. knappen Speed-Bereiche beziehen als auf das Handling-Verhalten. Wilco hat hier eine glückliche Hand bewiesen und hat die Empfindlichkeit in allen Achsen meiner Ansicht nach gut bis sehr gut getroffen. Alle drei Modelle sind wie das Original sehr stabil und gutmütig zu fliegen. Es macht richtig Spass, damit Platzrunden zu baggern. Das Approach-to-Stall-Verhalten ist ebenfalls sauber programmiert mit den Farbänderungen an der Speed-Scale, Pitch-Limiter, Stickshaker und – wenn das alles noch nicht geholfen hat – schlussendlich noch dem Stickpusher.
Auch einmotorig ändert sich nichts am Flugspass. Als Hecktriebler ist die ERJ bei einem Triebwerksausfall zwar nicht unmenschlich schwer gerade zu halten, hingegen ist die für diese Triebwerksanordnung typische Instabilität (Schubvektor hinter dem Schwerpunkt) um die Hochachse nicht unkritisch. Beides ist wiederum gut getroffen und es bedarf sauberer Fuss- und Trimm-Arbeit, um gut über die Runden zu kommen.
Die Performance ist – was die ersten Flugphasen betrifft – ebenfalls gut bis zufriedenstellend. Zwei Punkt sind jedoch hier zu bemängeln. Die Climb-Performance ab ca. FL 250 ist zu schwach. Die ERJ145 z.B. erreicht auch mit MTOW FL370 noch mit ca. 1000 FPM. In der Simulation sinds deutlich weniger. Nichts Gravierendes, aber einfach mal anzumerken. Wo es dann ein bisschen kritischer wird, ist bei Engine-out at V1 mit MTOW. 2.5% Climb Gradient sollten eigentlich zertifiziert sein. Hier ist eindeutig zu wenig vorhanden. Es ist praktisch kein Gradient mehr erkennbar. Somit ist der nächste Hügel das Ende des Fluges … Ok, ich gebe zu, nur der allergrösste Trottel probiert sowas aus, wo es doch so gefährlich ist … Ich tu das halt bei allen mehrmotorigen Flugzeugen, weil es so einen Heidenspass macht.
Systeme
Die ERJs sind mit traditionellen Systemen ausgerüstet, die eigentlich keine besonderen Überraschungen bieten. Elektrik, Hydraulik und Fuelsystem sind sauber dargestellt und erzeugen die meisten notwendigen Warnungen beim Verlust von Systemkomponenten. So weit so gut. Hier kommt aber leider einmal mehr das – nennen wir es einfach mal „andere“ – Verständnis von Systemtiefe bei Wilco zum Tragen. Auswirkungen zeigen Systemverluste so gut wie keine. Auch z.B. nach dem Ausschalten des kompletten Hydrauliksystems zeigen sich Autopilot, Flaps, Gear und Spoilers vollkommen unbeeindruckt und bewegen sich, wie wenn überhaupt nichts geschehen wäre. Einzig die Reverser fahren nicht mehr aus.
Apropos Spoilers: Leider ist auch hier die Systemtiefe nicht gewährleistet. Als Speedbrakes würden die beiden inneren Panels wirken, als Ground Spoilers alle vier auf jedem Flügel. Fehlanzeige. Es bleibt bei zwei Panels.
Nun gut, es ist natürlich sehr individuell zu gewichten, wie solches Fehlverhalten beurteilt werden soll. Fliegt man im Rahmen des „normalen“ FS, so geht ja eh nichts kaputt. Um das hier für mich trotzdem mangelhafte Bild über die Systemtiefe abzurunden, ist es fast müssig zu erwähnen, dass „selbstverständlich“ auch die gesamte Feuerlösch-Anlage nicht funktionsfähig ist.
Verlassen wir diesen eher unerfreulichen Teil und wenden wir uns zur
Flight Guidance
Ich verwende diesen Sammelbegriff für alle Komponenten, die neben dem klassischen Steuerhorn zur Flugführung verwendet werden (können), also FMS, FD, Autopilot & Co. Hier darf man durchaus wieder aus dem Vollen schöpfen und Wilco respektive FeelThere ein Kompliment aussprechen. Das Zusammenspiel, aber auch jede einzelne Komponente, funktioniert genau so, wie man es erwartet. Es macht wirklich Spass, das Flugzeug damit zu operieren. Das FMS – in typischer Embraer Manier – funktioniert praktisch fehlerfrei, was man von andern FMS auf den FS Markt beileibe nicht sagen kann. Ein paar kleine Unsauberkeiten fallen hier wirklich nicht ins Gewicht. Auch der Autopilot ist fehlerfrei in all seinen Funktionen und macht einem wirklich Freude. Alle Funktionen – sei es FLC, V/S oder SPD – werden präzise wiedergegeben. Und doch – auch hier ereignen sich ein, zwei unerklärliche Dinge, die eigentlich nicht sein dürften. So ertönt beim GS-Capture immer die Cavalry-Charge für Autopilot-Disconnect, obwohl der Autopilot natürlich eingeschaltet bleibt. Dafür ist die Cavarly-Charge dann nicht mehr vorhanden, wenn der Autopilot wirklich ausgeschaltet wird. Was sich die Leute bei FeelThere dann bei der Darstellung des FCP im VC gedacht haben, wird mir wohl für immer verborgen bleiben. Während bei allen andern Panels die Drehknöpfe in 3-D modelliert wurden, hat man hier einfach ein Foto draufgeklebt. Es sieht mir ein bisschen so aus, als hätten sie einfach einen funktionellen Dummy aus der Entwicklung vergessen.
Die Triebwerke der ERJs sind mit FADECs ausgerüstet. Die jeweiligen Limiten sind über Drucktasten auf dem Thrust Rating Panel anzuwählen. Für T/O stehen zwei verschiedene Thrust Modes zur Auswahl: T/O-1 und ALT T/O-1. Letzteres ist mit Flex-T/O zu vergleichen, wenn auch die Temperatureingabe dem aktuellen Temperaturwert entsprechen muss, im Gegensatz zur traditionellen Flex-Methode, wo eine Assumed Temperature bestimmt wird, die das entsprechende De-Rating bewirkt. Im Falle eines Triebwerkverlusts in der T/O Phase mit ALT T/O wird über das ATTS automatisch Full Rated Thrust auf das noch arbeitende Triebwerk kommandiert. Der System Display zeigt in diesem Fall dann E-T/O. All diese verschiedenen Modi funktionieren ebenfalls einwandfrei, ausser dass der Schriftzug E-T/O auch beim Wechseln auf einen andern Thrust Mode stehen bleibt. Die Targets ändern zwar, aber z.B. CONT wird nicht mehr angezeigt.
Zum Thema FADEC auch noch zwei kleine Anmerkungen betreffend Systemtiefe. Gemäss Handbuch müssen die Schubhebel an den vorderen Anschlag geschoben werden, damit die limitierende Funktion des FADEC auch richtig arbeitet. Wird CLB auf dem TRP gewählt, so bleiben die Schubhebel an Anschlag, der Schub wird jedoch auf Steigleistung reduziert. Erst wenn die Geschwindigkeit in Reiseflug erreicht wird, werden die Hebel zurückgenommen. Bei diesem Reduzieren zeigt sich dann eine Unsauberkeit in der Programmierung. Sobald man nämlich den vorderen Anschlag verlässt, hüpft die Triebwerksleistung auf T/O und wird erst beim weiteren Zurückziehen der Schubhebel wieder reduziert. Schön wäre es auch gewesen, wenn die Schubhebel nach dem richtigen Vorbild programmiert worden wären. Dort werden sie nämlich nicht an den vorderen Anschlag geschoben, sondern in ein Gate kurz davor. Die oben beschriebenen Funktionen sind alle auf dieses Gate bezogen. Werden die Hebel ganz nach vorn geschoben, so wird unabhängig vom gewählten Thrustsetting immer T/O Thrust kommandiert. Wäre wirklich noch ein schönes Goodie gewesen … träumen wird man ja noch dürfen.
Die RMU (Audio Management Unit) funktioniert in gewohnter Weise, ausser dass jetzt auch die DME Hold Funktion programmiert ist. Die Memory-Funktion ist allerdings sehr fehlerhaft und nur mit Vorsicht zu geniessen. Da wage ich aber zu behaupten, dass sie eher selten wirklich benutzt wird – somit fällt dies nicht so sehr ins Gewicht.
Eine weitere Neuerung ist die Call! Checkliste, die von Wilco wohl nächstens auf allen Typen eingeführt wird. Die Idee dahinter ist bestechend. Die Ausführung dagegen ist noch etwas wackelig. Einige Punkte sind fast oder gar nicht hörbar, weil die Soundfiles falsch gepegelt sind.
Vielleicht sollte auch eine Skip-Funktion dazugehören, falls ein Checklistenpunkt bewusst ausgelassen wird (z.B. APU im Approach-Check ???). Sie müsste dann einfach nicht Grün als abgearbeitet angezeigt werden. Man kann dieselbe Checkliste ja später nochmals aufrufen. Aber hübsch ist sie allemal und geradezu prädestiniert für Single Pilot Operation (natürlich nur im FS…)
Fazit
Trotz der verschiedenen kleinen Unsauberkeiten eine ziemlich gefällige Sache – der ideale Flieger also, um rasch von Hannover nach Malle an die Sonne zu fliegen. Die Handhabung ist recht schnell zu erlernen, sodass dem ungebremsten Flugspass nichts im Wege steht, vor allem, weil die Flight Guidance etwas vom Besten ist, was derzeit auf dem Markt angeboten wird. Die kleinen bestehenden Fehler sollten allerdings noch korrigiert werden, wenn schon ein Patch unterwegs ist. Einzig Puristen, die sich auf dem Weg noch ein paar Schikanen einbauen, werden die fehlende Systemtiefe bemerken. Sonst aber durchaus: Thumbs up!
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Testsystem |
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Oskar Wagner und Ingo Voigt