Viele von uns träumen davon, mal wieder hinter dem Steuerhorn einer zeitgemäß umgesetzten Boeing 747-400 Platz zu nehmen. Doch wer es realitätsnah mag, muss dafür eigentlich viel Zeit einplanen – oder man fliegt eben Kurzstrecke, was meistens nicht der Realität entspricht, aber zwischen Taipeh und Hong Kong beispielsweise durchaus realistisch ist. Hong Kong kennt man im Simulator schon länger; was uns aber nach der knappen Stunde Flugzeit auf Taiwan erwartet erfahrt ihr unter
Pacific Islands Simulation – kurz PacSim – haben vor über einem Jahr mit Manila einen Meilenstein abgeliefert: ein detaillierter Flughafen mit spektakulärer Stadtszenerie und trotzdem ausgesprochen guter Performance, das gibt es so nur selten. Insofern war ich – wie vermutlich auch einige von euch – sehr gespannt, was PacSim mit Taiwan abliefern würden, denn im Gegensatz zu Manila ist die Flugzeit zwischen Hong Kong und Taiwan sehr feierabendtauglich.
Das verspricht der Hersteller, Kauf, Installation und Lieferumfang
Neben den üblichen Finessen, die Flughafen-Szenerien heute mitbringen, verpricht PacSim, eine große Region mit Fototexturen, Autogen und dergleichen abzudecken: unter anderem auch die Städte Taoyuan und Dayuan in Flugplatznähe. Es gäbe animierte Windkraftanlagen an der Küstenlinie, Nachtexturen, und alles sei – wie schon bei Manila – auf gute Ablaufgeschwindigkeit hin optimiert.
Die Downloadgröße ist etwas über ein Gigabyte groß, die sich dann in etwa 1,5 Gigabyte Festplattenplatz niederschlagen, der Preis von 32,73 € entspricht dem, was heute bei Oberklassen-Airports oder Airports mit Extras üblich ist. Nach der Installation findet sich – wie leider oft bei PacSim – nur eine knappe Anleitung, die die Produktfeatures und die Flughafengeschichte anhand von Wikipedia-Auszügen dokumentiert. Das ist diesmal aber nicht so tragisch wie bei Manila: aktuelle Charts gibt es hier. Die Installation verläuft problemlos, es gibt nur einen Key, keine Online-Aktivierung, und RCTP wird direkt in der Szeneriebibliothek eingetragen. Zur Sicherheit sollten FTX Global Vector-Nutzer noch die Höhenkorrektur laufen lassen, und dann kann es auch schon losgehen.
Anreise mit China Airlines aus Chek Lap Kok
Anfang September in Hong Kong, das ändert wenig an den Temperaturen. Etwas bewölkt und feucht ist es, während unsere nur leicht betankte und nicht voll besetzte 747-400 vom Gate zurückgedrückt wird.
Die Wetterprognose sagt, dass wir in Taiwan vermutlich in Richtung 05 landen werden, was die Reise noch ein wenig verkürzt (allerdings wusste bei meinem ersten Versuch der andere Verkehr nichts von der mir zugewiesenen Bahn, weswegen ich mich beim zweiten Versuch über die ATC-Empfehlung hinweggesetzte; übrigens wieder falsch). Die Route ist einfach: folgt der M750 bis Tonga, ab da beginnen die STARs Tonga 1 A oder B in Richtung 05 oder 23. Die Route ist aber auch nicht sehr abwechslungsreich: bevor Taiwan in Sicht kommt, sieht man nur Wasser.
Schon einige Minuten vor dem Top of Descent fliegen wir über Land; einige Minuten nach Top of Descent bei etwa 15.000 Fuss erreichen wir das von Fototexturen abgedeckte Gebiet – gut (oder schlecht) erkennbar an der unterschiedlichen Färbung im Vergleich mit FTX Global (FTX hat einen etwas wärmeren Grünton).
Ist man erst einmal über dem recht großen Abdeckungsgebiet, dann stört das nicht mehr sonderlich. Die Anflugroute auf die 23R führt im Downwind-Segment nah am Flugplatz vorbei, so dass man schon einmal einen Blick darauf werfen kann. Ab jetzt heißt es aber, besonders mit der alten PMDG-747, gut auf Einhalten der Höhen und Geschwindigkeit zu achten, um nicht zu hoch reinzukommen.
Den vollständigen Anflug gibt’s hier im Video – bitte ignoriert die entgegenkommenden Flugzeuge dezent.
https://youtu.be/XkvYb3ocZPA
Der Flughafen Taoyuan RCTP
Taiwan war nach dem zweiten Weltkrieg der letzte Zufluchtsort der alten, von den USA unterstützen Führung um General Chiang Kai-Shek. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte in Taiwan ein starkes Wirtschaftswachstum ein, und seit Ende der 1980er Jahre wurde Taiwan demokratisch. Hier sind viele Hochtechnologiefirmen ansässig, zum Beispiel ASUS, deren Boards und Komponenten sicher auch in vielen eurer Simulationsrechner zu finden sind. Ein Industriestaat dieses Kalibers braucht natürlich auch einen leistungsfähigen Flughafen, so dass in den 1970er Jahren ein neuer Großflughafen für die Insel geplant wurde: RCTP Taoyuan International, Eröffnung im Jahr 1979 als Chiang Kai-Shek Airport (umbenannt erst 2006). RCTP liegt westlich der Hauptstadt Taipei an der Nordostküste der Insel Taiwan und ist Heimatflughafen von China Airlines und EVA Air sowie Ziel vieler internationaler Fluglinien. Hier werden jährlich etwa 35 Millionen Passagiere abgefertigt (zum Vergleich: Frankfurt ca. 65 Millionen).
Das Layout entspricht dem vieler neu geplanter Flughäfen: zwei Bahnen, hier ausgerichtet in Richtung 05-23, dazwischen die Terminals, am Rand Wartungsbereich und Frachtbereiche.
Modellierung Airside
Die Modellierung der Gebäude und Objekte ist gut, Texturen sind nicht übertrieben scharf aufgelöst (was sicher auch zur guten Ablaufgeschwindigkeit beiträgt). Jetways sind leider nur statisch (problematisch für P3D-Nutzer, die ja kein AES verwenden können). Es gibt eine rudimentäre Modellierung des Innenraums (ein paar Bänke). Die Bodenmarkierungen im Bereich der Gates sind nicht ganz scharf, aber das ist zu verschmerzen. Auch wenn die Terminalgebäude selbst wenig hergeben, sind viele Treppen und dergleichen als 3D-Objekte vorhanden.
Leider sind die Einparkhilfen nicht funktionsfähig (früher war das in dieser Preisklasse mal Standard).
Modellierung Flughafengebäude
Die übrigen Gebäude sind ausreichend detailliert modelliert. Schön ist der interessante blaue Tower mit seinen vielen Zwischenebenen. Die Ansammlung von Industrie-Nebengebäuden am Rand des Geländes ist weniger detailliert. Teilweise scheinen die Farben etwas durcheinander zu sein – vielleicht ist das aber auch einfach so in Asien.
Bodentexturen
Die Runway- und Taxiwaytexturen sind gut; vielleicht etwas verpixelter als üblich, aber das stört nicht – es dient ja der Ablaufgeschwindigkeit. Abgelegene Teile des Vorfelds sind leider sehr unscharf geraten. Es gibt 3D-Gras auf den Grastexturen, das aber etwas eigenartig angelegt ist.
Auf dem 3D-Gras sind übrigens keine Flugzeugschatten zu sehen.
Platzrunden 05 und 23
So, die Anreise aus Hong Kong und die Übersicht des Flugplatzes sind geschafft; für ein paar Übungsrunden steht unsere 738 der China Airlines abflugbereit an Gate A4.
Die Jetways sind – wie gesagt – statisch. MyTraffic 6 sorgt hier für ordentlichen Betrieb, also sollten wir schnell loslegen. Das Zusammenspiel mit den Ground Services X von FSDreamTeam funktioniert reibungslos, wir werden bis auf den quer verlaufenden Taxiway zurückgedrückt.
Jetzt geht’s langsam zu Runway 05L. Die Frames bleiben stets im Bereich 25 bis 30 FPS, trotz den großen Betriebs. Beim Rollen sind die Bodentexturen hier sehr gut getroffen, und auch die Nebengebäude, an denen wir vorbeifahren, sind gut umgesetzt.
Nach dem Start überfliegen wir einen Chemiekomplex (in Frankfurt wurde das extra verlegt, als die neue Bahn gebaut wurde), und schon sind wir über dem Meer. Nördlich des Flughafens beginnen leichte Hügel, die Fototextur gibt das alles relativ gut wieder.
Der Gegenanflug führt uns entlang der Küste, die mit vielen – drehenden – Windrädern ausgestattet ist. Die Umgebung des Flughafens ist etwas monoton, und die Autogen-Bebauung ist bei weitem nicht so spektakulär, wie sie das in Manila ist.
Der Endanflug aus Richtung 05 ist nicht wirklich spektakulär, er führt über Felder, leichte Bebauung und einige kleine Seen.
Die letzten Meter: kurz vor dem Flughafenzaun schlängelt sich eine Art Kanal entlang.
Aus Richtung 23 kommt man direkt vom Meer über das Chemiewerk zum Flugplatz. Das sieht schon etwas spektakulärer aus.
In keiner Phase dieser Flüge gibt es irgendwelche starken Framerate-Einbrüche; es bleibt stets im Bereich über 25 FPS. Schaut selbst in einem kleinen Video-Zusammenschnitt.
https://youtu.be/6tWCkpQKmNw
Nachts
Die Nachtdarstellung des Flughafens ist ausreichend und erfüllt seinen Zweck.
Umgebung
PacSim’s Manila lebte von der spektakulären Umgebung: die Innenstadt von Manila mit ihren Hochhäusern und abwechslungsreichen Gebäuden, die dichte Bebauung direkt im Endanflug. Das hat Taipei nicht zu bieten: wie gesagt, die Umgebung hier ist relativ monoton. Aber der Reihe nach: in den Kommentaren zu unserer Nachricht über die Veröffentlichung tauchte die Frage auf, wie die Szeneriegrenzen getroffen sind. Die Farbgebung der Fototextur unterscheidet sich von den FTX Global-Texturen, aber diesmal ist die Textur nicht ein simples Rechteck, sondern halbwegs sinnvoll abgeschnitten.
Markante Objekte sucht man allerdings vergebens – bis auf das Chemiewerk und die Industrieanlagen im Endanflug in Richtung 23. Auch eine markante Brücke findet sich hier.
Alle anderen Gegenden – auch die Innenstadtbereiche von Taoyuan und Dayuan – sind im Wesentlichen aus nicht besonders akkurat an die Fototextur angepasstem Autogen zusammengesetzt. Das ist für die Instrumentenflieger kein Problem und wirkt aus dem Airlines-Cockpit durchaus gut; für Sichtflieger ist diese Szenerie aber sicher weniger interessant.
Interessant ist übrigens der stillgelegte Militärflugplatz direkt neben Taoyuan International, der auch in den Anflugkarten verzeichnet ist.
Fazit
Taoyuan International ist ein gut detailliertes Paket für Airliner-Piloten, die in Feierabenddistanz ein Ziel in der Nähe von Hong Kong suchen oder auch ihre Langstreckenflieger 744 und 777 mal realitätsnah auf der Kurzstrecke einsetzen möchten.
Für diese Zwecke ist die Umgebung sehr gut und auch weitläufig wiedergegeben – man erreicht das von der Fototextur abgedeckte Gebiet schon relativ früh im Anflug. Taoyuan International selbst ist gut umgesetzt und die gesamte Umgebung einschließlich Flughafen hat eine sehr gute Performance, so dass es auch Spaß macht, hier mit anspruchsvollen Flugzeugmodellen herzukommen.
Leider – und dafür kann PacSim nichts – ist die Umgebung etwas monoton; die Innenstadt von Taipei ist leider nicht enthalten. Darüber hinaus ist das Autogen nicht sehr abwechslungsreich (bis auf das Chemiewerk). Im Gegensatz zu Manila ist Taipei daher für Sichtflieger weniger interessant.
Informationen
Pro | Contra |
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Informationen | Testsystem |
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Patrick Seiniger
Was mir nicht gefällt ……. Hinter dem EGAT. DAS Taiwan Chung Cheng Aviation Museum. Auf dem Parkplatz des Museums sind die Autos der Besucher aufgereiht, aber auf den Freiflächen des Museums sind keine Flugzeuge zu sehen, sondern nur die Schatten auf dem Foto-Untergrund, zum Beispiel die F-86F, die RF 101 “Voodoo”, die NAR T-28 “Trojan”, die Grumman “Albatros”… Sicher, man kann jetzt fragen:Was soll das, zum Flusi fliegen doch gar nicht notwendig”… Richtig. ABER, der Original-Flughafen ist in großen Teilen grau und trist und da kann so ein Tupfer nicht schaden, auch in der Nachbildung. Was mir gut gefällt ist die Nachbildung des Novotel, die Wartungsbasen von Eva Air und China Airlines und das der “Skytrain” zwischen den beiden Terminals tatsachlich “fährt”.
Das Review ist gut gut und deckt sich mit eigenen Wahrnehmungen.