Review: Dangerous Airports 1 von Aerosoft

Die Bürener Softwareschmiede Aerosoft hat sicher den Anspruch, dem Flusianer neben den gängigen Mainstream-Produkten immer wieder etwas ganz Besonderes zu bieten. Ein Faible scheint man hier vor allem für ausgefallene und fliegerisch sehr anspruchsvolle Szenerien zu haben: nach beispielsweise Lukla, den African Airstrips und Dutch Harbour versorgt eine der jüngsten Veröffentlichungen die FSX-Gemeinde nun mit einem Paket von gleich drei „Dangerous Airports“. Was verbirgt sich nun hinter dem reißerischen Titel, von dem auch der Entwickler Mat Dalton in seinem Handbuch schreibt, dass diese Bezeichnung „politically not correct“ sei, also (frei übersetzt) nicht ganz zutreffend? Unser neuer Rezensent Stefan  Benzinger hat sich für sein Einstands-Review das Produkt angesehen.

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Der immerhin 703 MB große Download aus dem simMarket oder von Aerosoft selbst installiert (gewohnt problemlos) drei Flugplätze auf der Platte:

  • Barra Eoligarry Airport (EGPR) auf den Äußeren Hebriden, einer Inselgruppe im äußersten Nordosten Großbritanniens,
  • Matekane Air Strip (FXME) in Lesotho im südlichen Afrika, sowie
  • Mountain Air, Burnsville, North Carolina (2NC0) in den Vereinigten Staaten.

Was macht ausgerechnet diese Plätze denn nun so „dangerous“, so gefährlich oder, vielleicht zutreffender, „challenging“, herausfordernd?

Nun, Barra ist der einzige Platz der Welt, dessen Betriebszeiten von Ebbe und Flut bestimmt werden: gelandet wird nämlich am Sandstrand und nicht auf einer befestigten Landebahn. Und das nicht nur von ein paar Verrückten, sondern ganz regulär im Liniendienst. Die schottische Gesellschaft flybe bedient von hier aus regelmässig Benbecula und Glasgow mit DHC-6-300 Twin Otter.

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Matekane Air Strip ist ein „dirt strip“ irgendwo im Nirgendwo, genauer gesagt im zerklüfteten Hochland von Lesotho, einer Enklave mitten in Südafrika. Lesotho ist eines der höchstgelegenen Länder der Erde – kein Punkt des Landes liegt tiefer als 1000 m über dem Meer. Das Klima ist extrem – die Winter kalt, die Sommer sehr heiß. Die exponierte Lage auf einem karstigen Hochplateau sorgt für kräftige Winde, und rundum geht es erst ein mal einige tausend Fuß abwärts, bevor man nach einem missglückten Start im Oh-Oh-Beng-River (der heißt wirklich so!) zerschellt. Da hilft es dann auch nicht mehr, dass Matekane überwiegend von den „flying doctors“ benutzt wird, um dem von der AIDS-Katastrophe und anderen medizinischen Problemen arg gebeutelten Königreich in dieser abgelegenen Gegend medizinische Hilfe zukommen zu lassen.

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Mit Mountain Air verhält es sich ähnlich, nur mit dem Unterschied, hier in einer recht dicht besiedelten und waldigen Region Nordamerikas zu fliegen. Die umgebende Ansiedlung ist übrigens ein Investment-Projekt mit Hotels, Country-Club, Ferienhäusern, Golfplatz und eben einem eigenen kleinen Flugplatz. Die klimatischen Bedingungen sind in Nordamerika sicher nicht ganz so extrem, aber vor allem das Fliegen im Gebirge mit seinen unberechenbaren Wetterkapriolen stellt den (Stuben-)Piloten hier vor große Aufgaben, soviel sei vorweg genommen.

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Was wird nun also geboten:

Die fertige Installation von 844 MB enthält neben den Szeneriedateien auch vier Handbücher, die neben den üblichen Installationshinweisen eine Reihe von nützlichen Konfigurationseinstellungen beschreiben, um die bestmögliche Darstellung zu erzielen. Besonders wertvoll sind die Ausführungen über das Fliegen in „hot-and-high“-Bedingungen, also der an sich ungünstigen Kombination von großer Höhe und hoher Lufttemperatur. Begriffe wie Dichtehöhe oder die Besonderheiten der Gemischeinstellung beim Anlassen werden erklärt und anhand von Tabellen und Grafiken auch dem Einsteiger gut vermittelt.

Darüber hinaus gibt es einige Karten und ein originales Manual des „Mountain Air Country Clubs“, der ein sehr einprägsames Briefing für den genannten Platz gibt. Einziger Wermutstropfen: Alle Handbücher liegen derzeit nur in Englisch vor. Ob eine deutsche Version geplant ist, war aktuell nicht zu erfahren. Aerosoft hat aber bisher fast immer die Kunden seines Heimatmarktes wenigstens mit einer deutschen Kurzanleitung bedacht. Der Support läuft über das hauseigene englischsprachige Forum unter „FSX/FS 2004 Scenery“ und wird von Shaun Fletcher betreut. Es finden sich aber bis heute recht wenige Anfragen, meist zu kleineren Installationsproblemen, was auf ein ausgereiftes, wenig „verbugtes“ Produkt schließen lässt.

Die drei Plätze enthalten neben dem unmittelbaren Flugplatzgelände mit allen Gebäuden eine den Jahreszeiten angepasste fotoreale Darstellung der Umgebung, ein hochaufgelöstes mesh, reichlich Autogen- und fixe 3D-Objekte wie Leitungsmasten, Schiffsanleger etc. Die Landebahnen in Mountain Air und Matekane sind natürlich wie in Wirklichkeit buckelig und abschüssig dargestellt. Interessant ist auch das geänderte Bremsverhalten der Flugzeuge auf dem Sandstrand in Barra: je nach Durchfeuchtungsgrad des Bodens scheinen die Bremsen manchmal nahezu wirkungslos zu sein. Bei einem Testflug mit der Aerosoft’schen Twin Otter war die Maschine bei laufenden Motoren jedenfalls kaum zu halten.

In Barra verkehrt AI-Schiffsverkehr. Dort und in Mountain Air finden sich auch einige statische Flugzeuge sowie animierte Personen auf dem Flugfeld (!). Die Szenerien fügen sich problemlos in die FSX-Standard-Szenerie ein; auch mit Ultimate Terrain und Ground Environment Xtreme USA bzw. Europa waren keine Probleme feststellbar. Für die VFR Photo Scenery Vol. 4-„Scotland&Western Isles“ von Horizon liegen angepasste *.bgl-Dateien nebst Installationsanleitung bei.

Die Texturierung des Untergrundes ist hochaufgelöst, sämtliche relevanten Gebäude sind detailreich und gut proportioniert nachgebildet. Fahrzeuge wie die der Flughafenfeuerwehr, Besuchergruppen, ein Controller im Tower und 3-D-Gras lassen die Szenerie von Barra plastisch und lebensecht erscheinen. Es gibt wirklich eine Menge zu entdecken – sogar die originalen Hinweisschilder für Passanten, doch bitte bei blinkendem Warnlicht den Strand nicht zu betreten, wurden integriert.

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Mountain Air ist ganz ähnlich ausgestattet, auch hier gibt es Nacht-Texturen, was einem Start in der Morgendämmerung eine besondere Note gibt. Grundsätzlich dürfen die Plätze allesamt aber nur bei Tageslicht und in VMC (visual metereological conditions/Sichtflugbedingungen) angeflogen werden. Einzige Ausnahme ist Barra, denn Notfälle und medizinische Hilfsflüge dürfen hier auch nachts starten und landen. Immerhin steht auch ein NDB zur Verfügung.

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Ganz anders stellt sich Matekane dar: außer ein paar traditionellen Rundhütten der Eingeborenen finden sich einige recht trist wirkende Baracken, ein Windsack, eine Schafsherde – das war’s. In der Realität dürfte es aber ähnlich aussehen. Auch der karstig-karge Charakter der Umgebung mit Tafelbergen, tief zerklüfteten Tälern und dem erwähnten Flusslauf kommt gut zur Geltung. Vegetation findet sich in dieser Höhe naturgemäß kaum mehr.

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Insgesamt ist die Atmosphäre auf den kleinen Plätzen toll eingefangen. Insbesondere Mountain Air hat etwas ungemein Lebendiges. Liest man vor dem Flug das Manual des Originals mit seinen zahlreichen Beispielfotos und begibt sich sodann ins Cockpit, wird es wirklich „as real as it gets“. Im Internet gibt auch einige Videos mit Anflügen zur Einstimmung.

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Ein Wort noch zur Performance: trotz des hohen Detaillierungsgrades läuft die Szenerie bei den empfohlenen Einstellungen auch auf meinem mittelmäßigen System zufriedenstellend. Unter Verwendung verschiedener passender GA-Flieger und Turboprops wie der Carenado Cessna Stationair oder der Twin Otter waren immer Frameraten von deutlich über 25 zu erzielen. Und die bekannten „Ressourcenfresser“ wie die Jetstream 41 oder größeres haben auf diesen Plätzen ohnehin nichts zu suchen.

Fazit

Aerosoft legt hier abseits des Entwicklungs-Mainstreams in der Flusiszene eine toll gemachte und fliegerisch herausfordernde Erweiterung für den FSX vor, dessen Stärken bei der Grafik dadurch erneut betont werden. In Kombination mit entsprechenden Leicht- oder Buschflugzeugen lassen sich hier vielfältige fliegerische Herausforderungen finden, die für den Einsteiger eine exzellente Schule und für den „alten Hasen“ eine schöne Abwechslung darstellen. Belohnt werden alle mit einer Erweiterung ihres fliegerischen Horizonts und unvergesslicher Momente an atmosphärisch gut getroffenen Flugplätzen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.

Pro Contra
  • gutes Verhältnis Preis/Leistung
  • abwechslungsreiches und herausforderndes Fliegen
  • gut getroffene Atmosphäre
  • Szenerien stehen alleine da – eine Einbindung von Missionen oder Beispielflügen wäre das i-Tüpfelchen
Informationen Testsystem
  • Intel Dual Core 2,67 GHz

  • 4 GB RAM

  • nVidia 9500GT

Stefan Benzinger

Autor: 41 Jahre, (zivile) Flugsimulation seit 1991, Online bei VATSIM und IVAO seit 2009. Keine realen Fluglizenzen, etliche Mitflüge in UL, Helikoptern, B 737. Bevorzugte Plattform: FSX

Testsystem: Medion PC mit Intel Dual core 2,67 GHz, 4 GB RAM, nVidia 9500 GT. Software: FSX Acceleration mit REX, Ultimate-Terrain, Ground Environment Xtreme, FSGlobal 2010 und Wetterengine von fsopen.co.uk (freeware). Flugzeuge von Aerosoft (Twin Otter) und Carenado (Stationair, PA-28). Screenshots mit Fraps (freeware)

2 Kommentare
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chris
chris
13 Jahre zuvor

Eine schöne Review. Danke!

Rüdiger
Rüdiger
13 Jahre zuvor

Danke für den Bericht. Dieser, so finde ich, ist sehr informativ und macht Spaß zu lesen.

Ich hab’s zwar nicht so mit dem Kleinflugzeugen, doch ich habe Appetit bekommen. Mal sehen…

Freue mich auf weitere Rezensionen von dir.

Grüße Rüdiger