Zweimal Jet Ranger in kurzer Zeit – Oldi-Hubschraubern im MSFS?
Dass ausgerechnet die Bell206B für den MSFS erscheint, dazu von zwei Herstellern kurz hintereinander… im MSFS gibt es doch seit dem 40-Jahr-Update das Nachfolgemodell, die Bell 407 … mit vier statt zwei Rotorblättern, und zwei mehr (also sieben) Sitzplätzen.
Nunja…die 407 ist default leider nicht fliegbar, da scheinen heftige Fehler im Code zu sein, nur mit einem Improvement Mod ist sie zu zähmen (oder mit aktiver Unterstützung für Cyclic und Heckrotor im MSFS). Am 21.12.22 erschien die Bell206B von FlyInside, die Firma hatte sich zuvor einen Namen gemacht mit VR-Support für Flugsimulatoren aller Art, und schon im Sommer 2021 den ersten Payware-Heli für den MSFS mit eigens programmierter Flugdynamik publiziert (lange bevor MSFS Helicopter vorgesehen hatte), und bekam sehr gute Kritiken dafür. Ihre Bell 206B kam auch wieder mit eigens programmierter Flugdynamik (statt der inzwischen vorhandenen beim MSFS), mit Heli-Manager zum schnellen Einstellen von Sensibilitäten und wählbarem Schwierigkeitsgrad, sowie einem Handbuch, und das alles für 38 US-Dollar. Sie sieht gut aus (allerdings fabrikneu), fliegt sich wohl ganz passabel und bringt ein paar Gimmicks mit – z.B. kann man in der Pilotensicht mittels Cursortasten aussteigen, um den Heli laufen, mit Mausklick alle Luken öffnen und reinschauen.
Zwei Tage darauf, am 23.12.22, erschien die Bell 206B von Cowan Simulations – als Erstling für den MSFS, nachdem der Hersteller schon 8 Helikopter für X-Plane publizierte (darunter auch Bell 206 B und L) mit bis dahin ebenfalls guten Rückmeldungen. Cowans Bell nutzt das MSFS-Flugmodell, kommt ohne Handbuch, ohne individuelle Einstellmöglichkeiten, dafür mit vielen Liveries und kostet 33 US-Dollar. In den ersten Wochen gab es schon mehrere Updates, die Version 1.02 vom 17.1.23 liegt dieser Review hier zugrunde.
Warum dieser Hype um die Jet Ranger? Weil die Bell 206B über Jahre zu den Standardfliegern des Microsoft Flight Simulator gehörte? Weil sie in so vielen Kinofilmen als “der Hubschrauber” auftrat, vor allem wenn es um Action ging?
Das Vorbild
Man kann die Bell 206B Jet Ranger als ikonischen Hubschrauber bezeichnen – für die zivile Luftfahrt etwa so, wie die Bell UH1 (“Teppichklopfer”) beim Militär, da wurde der Letzte übrigens 2021 nach 50 Dienstjahren aus der Bundeswehr ausgemustert. 1963 als Prototyp für das US-Militär angeboten (und zunächst durchgefallen), startete die Bell 206B mit einer Turbine und 5 Sitzen als leichter Hubschrauber erst 1967 erfolgreich ins Zivilleben. Sie wurde bis 2010 etwa 7.300 mal gebaut und ist damit der erfolgreichste zivile Hubschrauber, der Fabrikpreis lag zuletzt bei rund 2,3 Mio €, gebrauchte Exemplare Bj1967 gibt es ab 350.000€; neuere für 1Mio und mehr, der Flugminutenpreis gehört immer noch zu den günstigsten im Markt. Das Startgewicht beträgt bis 1,45 t, die Dienstgipfelhöhe 20.000 ft, die Reichweite max. 374 NM (knapp 700 km), die Reisegeschwindigkeit 117 kn (max. 130 kn). Eingesetzt wurde und wird die Bell 206B als Luft-Taxi für Unternehmen und für Sightseeing; für Luftbilder, Dokumentationen und Reportagen; zur Überwachung aus der Luft (Polizei, Verkehr, Küsten, Grenzbehörden…) und ab den späten 60ern dann doch noch beim Militär … in über 30 Ländern, bei den US-Streitkräften als “Bell OH 58 Kiowa” für Aufklärung, Bobachtung, Verbindung und leichte Kampfeinsätze (Vietnam, Golfkriege, IFOR). Kanadische und österreichische Streitkräfte nutzten die “Kiowa”. In Deutschland sah man kanadische und US-Versionen am Himmel.
In mehr als 135 Kinofilmen tritt eine Jet Ranger auf, im Action- und Katastrophen-Genre, aber auch in Krimis, Science Fiction- und Abenteuerfilmen: James Bond, Terminator, Jurassic Park. Als Rettungs- und Kampfhubschrauber ist sie allerdings zu leicht – und auch zu zickig beim Fliegen, denn die Bell 206B ist ein Oldie, an deren Design sich seit 1967 nichts mehr grundlegend verbessert hatte. Das Aviation Safety Network zählt (unvollständig!) mehr als 2.550 Vorfälle mit der Bell 206B Jet Ranger, über 500 davon mit schweren Beschädigungen, Verletzten oder gar Toten. Spätestens seit den 2010er Jahren werden die militärischen Versionen ausgemustert. Bundeswehrpiloten lernen das Helifliegen seit 2017 auf gemieteten Bell 206B Jet Rangern, bevor sie auf EC135 umsteigen. Von all dem gibt es Liveries bei flightsim.to.
Eine gestreckte Version kam 1974 als Bell 206 L (“Long Ranger”) auf den Markt mit höherem Startgewicht (bis 1,8t), zwei zusätzlichen Sitzen und mehr Reichweite (485NM, 900km), die ist aber nicht in Cowans MSFS-Paket enthalten.
Cowans Umsetzung
Versprochen wird ein akustisch und optisch bestechendes Modell (4K PBR Textures, Paint-Kit, 75 Liveries), Floats, realistisches Flugmodell (getestet von realen Piloten) mit originalgetreuem Startup, sowie kostenlos noch Einiges für die Zukunft: freies Update mit Autopilot, Scheinwerfer, Sprühanlage, Cineflex-Kamera, sobald jeweils verfügbar. Hingewiesen wird auf die Begrenzungen des MSFS-Heli-Flugmodells, dass zum Beispiel keine eigene Achsenbelegung für den Throttle vorsieht, sondern den/die Schubhebel allein für die Collective-Steuerung zuschreibt, der Throttle ist dann per Mausrad bedienbar. Geliefert wird ein Installer von 718 MB, der dann 2,3 GB in den Cummunity-Ordner schaufelt, ohne Handbuch, aber mit Checkliste. Auch in Cowans Heli kann man aus der Cockpitperspektive rausklettern und um den Heli laufen – das machen wir gleich am Anfang.
Wir stellen uns eine der vier mitgelieferten Schweizer Liveries (HB-XPA) auf den Berner Flugplatz (die wunderbare Freeware von moonlander69) und machen einen Preflight-Check. Der hier gezeigte Heli wurde übrigens 1972 in Lizenz bei Augusta in Italien gebaut, ging zunächst nach Deutschland, wechselte 1984 in die Schweiz an den Säntis, erlebte am 5.7.87 eine glimpflich verlaufende Bruchlandung in alpinem Gelände (zickig, wie die Jet Ranger nun mal ist – den Flugunfallbericht kann man als Simpilot eins zu eins nachvollziehen), wurde repariert, ging 1994 wieder nach Deutschland, kam 2005 zurück in die Schweiz zur Zürcher Skymedia AG (das ist die Livery hier) für Passagiertransporte, Foto- und Filmaufnahmen, Rundflüge. 2013 folgte der Verkauf wieder nach Deutschland (ab jetzt als D-HWEC) für einen Charterdienst in Leverkusen, wo er im Herbst 2019 abgemeldet wurde, inzwischen als D-HNRW wieder in Betrieb ist bei einem privaten Besitzer, immer noch mit der blau-silbernen Bemalung aus der Schweiz.
Die zweite von Cowan mitgelieferte Schweizer Livery hatte kein so langes Leben: HB-XMT wurde 1973 in Kanada gebaut und kam zunächst nach Deutschland (D-HAKLI), ging 1981 in die Schweiz für Heli-TV, wurde 1985 im Tessin bei einer harten Landung mit Autorotation nach Turbinenversagen wegen Treibstoffmangels beschädigt und wieder repariert, zog1988 um nach Samedan als Touristenflieger, kam 1992 als Luft-Taxi nach Basel (aus dieser Verwendung stammt die Livery, im Jahr 2000). Im April 2000 verunglückte der im Gebirge wenig erfahrene Pilot beim Rückflug von Samedan nach Basel mit einem Passagier an Bord während einer misslungenen Zwischenlandung beim Gebirgslandeplatz Vorabgletscher. Beide Insassen kamen ums Leben, die Maschine wurde total zerstört. Der Hergang im Unfallbericht liest sich für Sim-Piloten auch hier nur zu vertraut.
Auch die dritte Schweizer Livery (HB-XSI) hat eine bewegte Geschichte: gebaut 1980 in Kanada war sie bis 1987 in den USA (N604PD … heute eine Bell 407 der Polizei im County Nassau bei New York, danach N604PA), kam dann in die Schweiz zu Heliswiss, eingesetzt für alle typischen Aufgaben (Personen- und Materialtransporte, Bergrettung, Foto und Film…) bei Air Grischa in Graubünden (Samedan, wobei sie im Dezember 1993 am Pizol beschädigt wurde), ab 1996 am Neuenburger See, 1997/98 ein Jahr in Spanien (EC-GNO) am Flughafen Sabadell bei Barcelona, 1998/99 zurück in der Schweiz (Bern), 1999 bis 2005 in Erstfeld am Gotthard (aus dieser Zeit stammt die grün-gelbe Livery), ab 2005 dann mit Aufschrift Heliswiss (auf grün-gelber Livery, also wie bei CowanSim) in Bern stationiert . 2009 wurde sie in das rote Heliswiss-Design umlackiert, im April 2011 am Staldenhorn (bei Gstaad, Flugplatz Saanen) schwer beschädigt, Ende Juni 2012 ausgeflottet. So ist der Unfall bei den Schweizer Behörden dokumentiert:
Der Pilot startete gegen 16:40 Uhr in Gruyères und flog zuerst zum Gebirgslandeplatz Wallegg. Dort führte er zwei Landungen durch und flog weiter in Richtung Gebirgslandeplatz Staldenhorn, wo er eine erste Landung ohne Probleme absolvierte. Bei der zweiten Landung berührte der Heckrotor den Boden. In der Folge ging die Kontrolle über den Helikopter verloren, dieser neigte sich zur Seite und der Hauptrotor schlug in den Boden ein. Die Kabine prallte mit dem Bug in den ansteigenden Hang und kam auf den Landekufen zum Stillstand, worauf der Pilot das Wrack unverletzt verlassen konnte. […]
Schaden am Luftfahrzeug: Hauptrotor, Heckrotor, Heckausleger, Kabine, Turbine und Landekufen.
Auch die vierte Schweizer Livery (HB-XLA) hat schon ein langes Helicopter Leben: gestartet als Augusta-Lizenzbau 1980 in Italien, 1981 in Genf bei Transair in Dienst gestellt, machte dann Station bei TUI Suisse, kam 1985 zu Heliswiss, hatte 1997 einen Unfall auf der Äbeni Flue (Jungfrauregion) und wurde repariert, 2012 umfirmiert in Swiss Helicopter, flog dann 2016 bis 2019 für einen Flugzeughändler, und ist seit 2019 registriert auf Triet Helicopter in Altenrhein, seit kurzem in Sion stationiert.
Ich vermute (habe es aber nicht recherchiert), dass die anderen 71 Cowan-Liveries ebenso reale Helis abbilden und keine Phantasiebemalungen sind, sondern Geschichten zu erzählen haben.
Äußere Werte – Walkaround
Hier bei den Reviews ist ein Preflight Walkaround Check Gelegenheit zur Prüfung der grafischen Umsetzung des Fluggeräts, was sonst wahrscheinlich kein Mensch vor jedem Simulationsflug macht – in der Realität aber unabdingbar ist. Bei Helicoptern guckt der Pilot dabei auch unter JEDE Klappe und prüft auf lockere Steckverbindungen, lose Schrauben, Undichtigkeiten, den Sitz von Bolzen und Splinten, die Gängigkeit von Mechaniken, Füllstände, …und …und …und (hier). Bei der Konkurrenzversion von FlyInside lassen sich viele Luken auch öffnen, bei Cowan keine einzige. Aber außer dem ersten Augenschein der neu gekauften Maschine … welcher Simpilot guckt ernsthaft nochmal unter die Hauben? Bleiben wir also erstmal bei den Äußerlichkeiten.
Fangen wir ganz vorne an beim Piloten, so wie es das Original Handbuch der Jet Ranger vorschreibt: Static Port, Scharniere und Verschluss der Pilotentür (wow – Scharniere und alle Nieten in 3D, nicht nur aufgedruckt), Zustand des Fensters, desgleichen bei der Passagiertüre, anschließend Landekufen rechts. Cowan hat seiner Jet Ranger elektrisch aufpoppende Schwimmkörper spendiert für Notwasserungen (wenn aktiviert, erscheinen die blitzartig bei der Berührung mit Wasser – der Heli schwimmt dann auf seinem Unterboden, das Wasser reicht bis knapp unter die Unterkante der Türen … und sie verschwinden sofort, wenn man wieder startet, das ist unrealistisch und sieht auch nicht schön aus).
Dann muss man auf die Trittleiste der Kufen steigen und über der Kabine in die Technik schauen: vorne die Hydraulik, in der Mitte die Übersetzung, hinten die Turbine. Die Details füllen zwei Seiten Checkliste, davon geht hier gar nichts … und muss auch nicht, ich simuliere im MSFS ja nicht die Fluggerätemechanik im Detail, sondern das Fliegen.
Dann noch auf den kleinen höheren Tritt steigen, um ganz rauf zum Dach zu kommen: Antenne, Kabinendach, vor allem aber der Rotorkopf – und hier: WOW. Bisher fand ich die grafische Umsetzung “OK”, so ganz aus der Nähe etwas unscharf, aber fürs Fliegen reicht es völlig, und lieber Performanz als mikroskopisch feine Grafiken. Der Rotorkopf ist aber vom Feinsten, da merkt man Cowans Begeisterung für Heli-Technik. Schön auch die Hitze-Verfärbung am Abgasrohr!
Als nächstes prüft man den Tankstutzen und drainiert den Sprit. Das ist real eine ziemliche Prozedur und geht nicht im Simulator, gibt aber Gelegenheit, den Unterboden zu prüfen – das Drain-Ventil hat Cowan ausgelassen, sonst sieht man da einige Luken …. das geht für mich so in Ordnung. Auch die Druckluftanlage für die Floats ist glaubwürdig montiert, solche Details hat das Konkurrenzmodell nicht. Danach prüft man den Ölstand (geht hier auch nicht) und schaut sich dann den hinteren Teil des Heli an. Was auffällt: grobe Polygone an manchen Stellen, die rund sein sollen (z.B. Tankstutzen, Klappen). Aus der üblichen Entfernung beim Simmen sieht man es allerdings nicht mehr, und wenn es der Performance dient …
Rückwärtige Kabinenwand, Heckausleger (gleichmäßige Spaltmaße prüfen – hier in 3D ausgeführt! … sonst hat der Ausleger nämlich einen Schlag bekommen), Stabilizer, Positionslicht, Heckflossen, Heckrotor … rechts, hinten, und dann links. An der Heckrotor-Steuer-Gestänge sieht man dann wieder Cowans Freude am Detail – wunderschön! Ein wenig Abnutzung sieht man an der Heckflosse (sonst gar nicht, nicht mal Dreckspritzer an den Kufen oder dem Unterboden) – und hier grobe Treppen in der Textur.
Hinten rechts ist dann das Gepäckfach (bei Cowan nicht zu öffnen) – Gepäck fixieren, Luke sicher schließen – und dann wider auf den Tritt und nach oben, diesmal die Prüfungen auf der rechten Seite: Turbinenelemente, Übersetzung, Hydraulik von hinten nach vorne, wieder mehrere Seiten in der Checkliste. Ärgerlich: auf dem Gepäckfach ist eine “gespiegelte” Textur, fällt bei Schrift sehr unangenehm auf, so was sollte nicht mehr vorkommen.
Und auch auf dieser Seite: Landekufen prüfen, Türen mit Scharnieren und Verschlüssen, Fenster, Static Port.
Vorne stecken Batterie und externer Stromanschluss unter den Hauben – real macht man die auf und prüft den Sitz der Steckverbindungen sowie den Ladezustand der Batterie; abschließend Antennen, Landelichter, Kabelschneider (auch die fehlen beim Konkurrenzprodukt!), die Windscreens. Hier hat sich Cowan nicht lumpen lassen …das sieht alles sehr schön aus, auch wenn alles blitzsauber ist und die Fenster ganz neu wirken!
Cockpit
Also aufgesessen … und Nostalgie genossen, man kennt die Jet Ranger aus früheren Simulatorfassungen. Die Kabine ist aber viel realistischer gestaltet (und wirkt auf mich auch realistischer als die des Konkurrenzmodells), die Konsole mit Garmin-GPS aufgerüstet… und dann entdeckt man die Details: den Stick, den Collective-Hebel, die Ruderpedale, die detaillierten Armaturen, hoch aufgelöste Instrumente, schön gemacht, da gibt es nix zu meckern. Immersiver wäre, wenn das Cockpit auch Gebrauchsspuren aufwiese, immerhin haben die Jet Rangers Jahrzehnte auf dem Buckel – hier (aber auch bei der Konkurrenz) wirkt alles fabrikneu, selbst der Teppichboden, das ist schade.
Nachts wird selten gehubschraubert, aber Cowan verweist extra auf seine gelungene Illuminierung. Bei genauer Betrachtung verstehe ich den Werbehinweis nicht. Die Instrumentenbeleuchtung ist da, sie funktioniert auch (alles ist gut ablesbar), sie ist nicht übersteuert grell wie beim default Bell 407, aber ein besonderer Hingucker? Laut Handbuch gibt es Flutlicht (an der Rückwand des Cockpits, über dem Feuerlöscher) und eine Kartenleselampe, beides ist bei Cowan gar nicht umgesetzt, obwohl die Sicherungen dafür im Panel beschriftet sind. Die LED-Leiste für das Armaturenbrett wird mit einem Regler rechts oben am Panel bedient, sieht hübsch aus, beleuchtet aber nicht wirklich was Bedeutendes und frisst wohl fps. Man bekommt den Eindruck, Cowans Feature-Liste soll gegen das FlyInside-Modell mit vielen Einträgen beeindrucken, das meiste ist aber Standard und nichts Außergewöhnliches im MSFS.
Sound, Systeme und Flugdynamik
Cowan wirbt mit einem realistischen Startup, und wenn man die einschlägigen Videos aus der realen Welt anschaut (z.B. hier und hier), scheint das auch gegeben. Die mitgelieferte Checkliste ist nicht gleich hilfreich, deswegen lohnt sich vor dem ersten Versuch, das im Video anzuschauen. Was mir nicht gelungen ist: mit einem “Hotstart” die Turbine zu schrotten, das scheint nicht simuliert zu sein. Sie läuft bei falscher Reihenfolge der Prozedur einfach nicht hoch, das ist alles. Was angenehm ist (und besser, als bei der Konkurrenz): man kriegt das alles auf Anhieb mittels Standardbelegung von Joystick, Schubhebel und Mausrad hin, ohne an den Einstellungen und Zuordnungen rumfummeln zu müssen – der Jet Ranger-Throttle wird nur zum Hoch- und Runterfahren der Turbine bedient und hängt am Mausrad, der Schubhebel bedient wie üblich den Collective.
Der Sound ist stimmig, und sobald die Turbine hochgelaufen ist, kommen nostalgische Gefühle auf – das vertraute Surren, Heulen und Flattern der Bell 206B Jet Ranger, so wie man aus vielen Stunden in früheren Simulatoren noch gut kennt, jetzt etwas bassiger und in 3D.
Systeme in so einem Oldie gibt es nicht viel, die Elektrik schein stimmig simuliert (manche, aber nicht alle Sicherungen funktionieren); die Turbine mit ihren Lasten und Grenzen wirkt stimmig umgesetzt, das Garmin GPS ist aus dem MSFS übernommen.
Also …Kontrollen in die Hand genommen, und ab geht’s! Der Bär beginnt zu tanzen …
Corwan hat das Heli Flugmodell von Asobo übernommen, statt ein eigenes zu entwickeln, wie FlyInside oder HPG. Das hat Licht- und Schattenseiten. Zum Licht gehört, dass Asobos Fortschritte dereinst auch Corwans Jet Ranger zugute kommen werden. Aber heute ist heute …
… und da ist das Heli-Flugmodell von Asobo …gewöhnungsbedürftig. Schwierig. Frustrierend. HPG und FlyInside bieten ihren Kunden drei Schwierigkeitsgrade an, um sich an die Herausforderungen des Helifliegens heranzutasten. Cowan wirft seine Drehstuhlpiloten ins kalte Wasser … “schwimm oder versauf!”
Manche Nutzer sind begeistert vom Realismus dieses Flugverhaltens … aber wie realistisch ist eine Heli-Simulation, wenn Standard-Joysticks und Schubhebel ein Zwanzigstel, bestenfalls ein Zehntel (Pedale ein Fünftel) der Hebelwege von realen Heli-Pedalen, Sticks und Collectives haben? Aus den wenigen Millimetern im Hand- oder Fußgelenk eines im Schwebeflug balancierenden Piloten werden im Drehstuhl daheim zwanzigstel, zehntel, fünftel Millimeter, also weniger, als technisch überhaupt abgegriffen werden. Dazu fehlen die Funktionen für Force-Trim (was die Bell 206B kann) und Autopilot… was beides erhebliche Erleichterungen bringt.
Mit anderen Worten: wer viel Zeit und Lust zum Üben hat, wird den CowanSim Heli nach und nach beherrschen lernen, auch seine sehr ausgeprägte (realistische?) Rechtsdrift. Sicher hilgt es auch, wenn man die Cyclic- und Rotor-Unterstützung im MSFS aktiviert, auch wenn sich das weniger realistisch anfühlt. Mit Zeit und Experimentierfreude kann man sich Heli-Trimmungen belegen und kalibrieren, und mit der Weile werden die üblichen Heli-Manöver elegant gelingen: Starten, Hovern, Kurven, Landen… aber bis dahin eiert man sehr unschön durch den Luftraum, bollert überall gegen, schrottet unzählige Helis. Und man gewinnt Verständnis, warum … und wie im Detail… so viele Jet Rangers schon abstürzten. Wer Hardcore-Heli-Fan ist, kann das alles schon ganz gut, oder hält die Lernkurve durch. Für alle anderen fehlt der “einfache” und der “mittelschwere” Modus. Gerade bei Wind und im Gebirge, wo der MSFS inzwischen Aufwinde und Abwinde simuliert, ist diese Bell 206B nur schwer zu bändigen!
Was auch fehlt, ist ein Manual, das z.B. die Aktivierung der jetzt wohl schon möglichen Anbauten erklärt, und allgemein in die Bell 206B einführt (hier ein gutes reales Handbuch). Das ist wirklich schade.
In photogrammetischen Städten, wo der MSFS ordentlich was zu schaffen hat, bringt Cowans Jet Ranger den Computer ins Schwitzen. Auf meinem (nicht unterdimensionierten) System ruckelt es zuweilen, was beim Helifliegen nicht nur blöd aussieht, sondern auch das Steuern erschwert.
Anbauten
Eigentlich sind sie erst für die Zukunft versprochen, vielleicht kommen ja noch Funktionen dazu, aber man kann jetzt schon durch die Eingabe entsprechender Gewichte in den Weight-and-Fuel-Options nicht nur Passagiere auf die Sitze platzieren, sondern auch eine Sprühanlage anbauen, die Cineflex-Kamera montieren (mit Bediener-Panel auf dem Platz hinten links), und/oder ein Spotlight (ohne erkennbare Bedienungsmöglichkeiten), einen Rückspiegel an den Kufen. Ich hab das alles ausprobiert – das jeweilige Gewicht (außer beim Spiegel) merkt man deutlich beim Fliegen, und diese Gimmicks inspirieren zu Einsätzen/ Flugideen. Außerdem sind sie alle mit Hingabe detailliert. Vielleicht kommen ja noch die Funktionen dazu – einen Film mit der Cineflex-Kamera zu drehen wäre natürlich spannend 😉 …
Mit dem Spiegel konnte ich nichts anfangen – man sieht ihn fast nicht vom Pilotensitz, und wenn, dann zeigt er nichts Relevantes. Vielleicht würde mir ein Handbuch helfen, mir Sinn und Nutzen zu erschließen. Die Kabelschneider können in den Weight-Options übrigens deaktiviert werden!
Und sonst so? Natürlich ist es pures Glück, mit dem Heli durchs Gebirge zu schrauben, durch photogrammetische Straßenschluchten großer Städte, an Flüssen und Küsten entlang zu patrouillieren, Inseln zu erkunden, mitten im Gelände zu landen, oder auf Hochhäusern, Bohrinseln, Berggipfeln, Sportplätzen, Straßenkreuzungen, großen Schiffen. Mit Hubschraubern kommt der MSFS zu seinen größten Möglichkeiten!
Fazit
Der Bell 206B Jet Ranger von CowanSim merkt man Liebe zu Detail an, die sich an heli-relevanten Dingen austobt, und alles andere bei gutem Standard belässt. Dieses Modell zielt aufs Fliegen, nicht auf die Show und baut dabei auf das Asobo-Helicopter-Flugmodell und seine zukünftige Entwicklung. Zielgruppe sind derzeit Hardcore-Heli-Fans, die sich ohne Handbuch und ohne Vereinfachungen an den Oldie herantrauen. Wenn man ihn beherrscht, kann man spannende Flugabenteuer damit erleben, CowanSim liefert eine breite Palette an Liveries aus der realen Jet-Ranger-Geschichte mit, Nutzer liefern weitere. Erweiterungen und Verbesserungen sind versprochen.
Um für andere Simmer interessant zu werden, sollten zukünftige Updates ein Handbuch und einen “Lernmodus” beinhalten, außerdem wäre die Implementierung von “Force Trim” auch für Enthusiasten ein Gewinn an Realismus und Nutzwert. Ein einfacher Zugriff auf verschiedene Varianten/Anbauten/Funktionen/Fehlfunktionen usw., also eine Art Manager, wäre auch zu wünschen, insbesondere bei dem Preis, der sich eher “oben” orientiert.
Informationen
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Testsystem | |
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Dr. Michael Kalff