Die Veröffentlichung der A2A Cessna 172 im Herbst 2013 für den damals noch aktuellen Microsoft Flight Simulator X und Prepar3d V2 war ein Meilenstein für die Simulation von General Aviation Flugzeugen, danach folgte unter anderem 2015 die Piper Comanche 250. Nach einigen weiteren Highlights, unter anderem der Lockheed Constellation, war es seit der Veröffentlichung des „neuen“ Microsoft Flight Simulators lange ruhig, bis vor einiger Zeit die Piper Comanche 250 mit der neuen Fassung des Simulationsframeworks „AccuSim 2.0“ veröffentlicht wurde.
Das Review für die Ursprungs-Comanche hatte ich damals, 2015, geschrieben und kam zum Schluss, dass das Add-On ein tolles Stück Software war. Solltet ihr mit den genannten Maschinen noch nicht vertraut sein, bieten sich die Reviews zur Cessna 172 (von Sascha Heber) und zur Piper Cherokee (von Stefan Benzinger) als Einführung und mein Review zur Piper Comanche an.
Vermutlich haben wir aber auch neue Leser, die durch den MS FS zum Thema Simulation gespült wurden, daher wiederhole ich hier noch einige allgemeine Passagen zur Comanche – ihr mögt mir das Abschreiben bei mir selbst verzeihen.
Was ist für mich das Tolle an den Fliegern von A2A? In einem Satz: Die Flugzeuge leben, sie fliegen nicht auf Schienen und immer gleich, sondern unterliegen der Abnutzung, simulieren Änderungen zum Beispiel im Antrieb, in den Gyros, und Fehler bei der Bedienung können Konsequenzen haben. Kurz: die Maschinen fliegen nicht einfach stundenlang geradeaus, sondern erfordern Überwachung, und diese Überwachung macht Flüge interessant. Und ganz besonders noch mit einem nur sehr rudimentär automatisierten Oldtimer wie der Comanche aus den 1950er Jahren, qusai dem Gegenentwurf zu den meisten glattpolierten Standardflugzeugen mit ihren Computermonitoren, die von Microsoft mitgeliefert werden.
Wie ich das meine möchte ich im Folgenden erarbeiten, aber first things first:
Features, Preis, Installation und Lieferumfang
A2A bewirbt eine Simulation, die deren Werksflugzeug anhand einer weitgehend physikalischen Simulation so exakt wie möglich nachbildet, hervorgehoben wird die Motorphysik (Simulation per Zylinder), die Strukturdynamik (Vibrationen werden vom Motor auf den Rahmen übertragen, die Flügel schwingen). Dazu gibt es endlich ein Tablet zur Steuerung aller Features, zum Beispiel den bekannten Walk-around vor dem Start, die Möglichkeit, animierte Passagiere anzuzeigen und vieles andere mehr.
Die Piper Comanche 250 gibt es für gute 55 Euro unter anderem im simMarket. Die Installation klappt automatisch mit dem mitgelieferten Installer. Das Add-on kommt mit einem Handbuch und einem Konfigurationstool für die Cockpit-Hardware, das ich nicht verwendet habe.
Das wirklich sehr ausführliche Handbuch ist bereits ohne Kauf einsehbar. Es ist wie immer bei A2A schön geschrieben. Was leider nicht mehr enthalten ist: Die Entstehungsgeschichte und Hintergrundinformationen zum Flugzeugtyp, das kann man aber noch im alten Handbuch finden. Dafür gibt es mittlerweile knappe Einführungen in die Avionik, besonders in den Autopiloten und den digitalen Engine Monitor.
Was wird simuliert?
Simuliert wird die Piper PA-24 Comanche mit 250 PS-Motor. Die im Jahre 1956 zum Erstflug gestartete Comanche ist ein Tiefdecker mit Einziehfahrwerk und Verstellpropeller, sowie ausreichend Platz für 4 Personen. Es gibt einen Autopiloten, der sich in der Handhabung deutlich von den Autopiloten der anderen Flugzeuge unterscheidet. Darüber hinaus werden die üblichen VOR-, ADF-Empfänger und Funkgeräte simuliert, neu gegenüber den alten Versionen der A2A Comanche ist die Simulation des Engine Monitors, der ausgesprochen hilfreich bei der Abmagerung des Motors ist. Die seit einiger Zeit bei A2A standardmäßig vorhandene Integration der Third-Party-GPS-Addons oder des Default-GPS ist über die Konfiguration im Tablet möglich.
Der simulierte Antrieb ist ein Lycoming O540, ein luftgekühlter Boxermotor mit Vergaser und absurd viel Hubraum von etwa 9 Litern, das ergibt eine Literleistung von nicht mal 30 PS. Die Kraft wird wahlweise über zwei verschiedene Propeller (McCauley und MT Propeller), die natürlich beide mit konstanter Geschwindigkeit laufen, auf die Umgebungsluft übertragen. Im nun neu eingebauten Tablet zur Bedienung des Simulationsmodells warten darüber hinaus noch diverse Modifikationen auf den virtuellen Einbau.
Inbetriebnahme und Flug
Im Cockpit ist zunächst fast alles so wie bei der „alten“ Fassung der Comanche: Vor dem Piloten warten die sechs primären Instrumente der Flugführung – Geschwindigkeit, künstlicher Horizont, Höhenmesser, darunter Wendezeiger, HSI und Variometer –. Auf der Kopilotenseite finden sich die Motorinstrumente: „manifold pressure“, also der (negative) Druck im Saugrohr, der Drehzahl- und Treibstoffflussmesser, mittig unter den Instrumenten die zusätzlichen Motorinstrumenten.
Eingerahmt werden sie sechs primären Instrumente links vom Avionik-Stack und rechts vom neuen „Engine Monitor“. Die Bedienung des Autopilots ist in den Wendezeiger integriert, und es gibt unter allem noch den Fahrwerksschalter (ja, kein Hebel) und die entsprechenden Kontrolleuchten.
Neu, mittlerweile Standard und aus meiner Sicht ziemlich komfortabel und immersiv ist das Tablet, das zunächst in der linken Seitentasche verstaut ist und durch einen Klick hervorgeholt wird. Es erlaubt die nahezu vollständige Konfiguration, Bedienung und Beladung, enthält Checklisten, Fluginforationen bis hin zu der Aussage, ob euch im Cockpit zu kalt oder zu heiß ist – und zeigt detaillierte Informationen über Elektrik und Motor an. Besonders in Virtual Reality ist das echt eine tolle Sache, da wir eigentlich niemals aus dem VR-Modus raus müssen. So kann man auch nach den ersten Startversuchen einfach per Click auf dem Tablet die Zündkerzen reinigen und die Batterie laden, sollte die Maschine nicht angesprungen sein. Für alte Hasen: Es ersetzt vollständig den alten „Hangar“, der im FSX durch Shift+2 erschienen ist.
Einmal in der Luft, fällt zunächst der einfache Autopilot auf, der eigentlich nur Höhe und Kurs oder Heading halten kann, aber auf langen Streckenflügen trotzdem ziemlich nützlich ist, denn so können wir uns auf die Motorsteuerung konzentrieren.
Es ist bei Motoren nämlich so, dass Kraftstoff und Sauerstoff nur dann vollständig verbrennen, wenn sie im richtigen Mischungsverhältnis im Zylinder sindl, etwa 1 Liter Kraftstoff zu 14,5 Litern Luft auf Meereshöhe müsste ungefähr passen. Dieses stöchiometrische Verhältnis nennen die Ingenieure Lambda=1, ihr kennt das vielleicht von der Lambda-Sonde im Pkw, die genau dafür sorgt. Ist zuviel Kraftstoff im Zylinder, ist das Gemisch fett, bei zu wenig Kraftstoff mager. Maximale Leistung haben Motoren etwa bei Lambda = 0,9, maximale Effizienz bei Lambda = 1,1, minimale Emissionen (=sauberste Verbrennung) bei Lambda = 1, worauf heute Motorsteuergeräte und Kraftstoffeinspritzungen ausgelegt sind.
Solche neumodische Technik der 80er Jahre ist natürlich im Lycoming O540, wie er hier simuliert ist, nicht verbaut: Es ist eure Aufgabe, das Gemisch einzustellen, und zwar weitgehend passend zur Flughöhe, denn je höher wir fliegen, desto weniger dicht ist die Luft, desto weniger Sauerstoff ist im Zylinder und entsprechend sollte weniger Kraftstoff eingeführt werden. Das war auch schon früher und ist auch bei anderen im MSFS simulierten Fliegern so, und als Hilfsmittel für die passende Einstellung gibt es die Anzeige der Abgastemperatur: Nahe Lambda=1,1 ist die Verbrennung am heißesten, wird es also beim Verstellen des Gemischs erst wärmer, dann aber wieder kälter, dann haben wir das Optimum für die Effizienz gefunden.
Der digitale „Engine Monitor“ hilft uns jetzt, das noch etwas genauer einzustellen, denn er zeigt Temperaturen im Zylinderkopf (heiß = schlecht!) und im Abgas (heiß = gut!) an. Er zeigt uns sogar beim langsamen Verstellen den magersten Wert an und ermöglicht, beispielsweise 50° kälter als Optimum zu fliegen, also in der Nähe von Lambda=1 oder mit leicht fettem Gemisch. Wenn ihr das Spiel nicht mitspielt verbraucht ihr mehr Kraftstoff und provoziert bei zu heißen Zylinderköpfen Motorschäden. Den Zustand des laufenden Motors könnt ihr während des Fluges übrigens auf dem Tablet kontrollieren – dieses Feature gefällt mir sehr gut.
Ihr könnt natürlich das Schadensmodell auch abschalten und mit dem Flieger einfach so, ohne weitere Einstellungen und Schwierigkeiten rumfliegen, aber mal ehrlich: Per Autopilot eine Stunde geradeaus fliegen ist doch etwas langweilig, oder? Wenn der Motor dann richtig eingestellt ist könnt ihr euch übrigens noch damit beschäftigen, die Drift des Kreiselkompasses zu kontrolieren (per VOR-Anzeige, oder auch mit dem normalen Kompass) oder die Lufttemperatur im Cockpit in vernünftigen Bereichen zu halten.
Denn das macht Flugzeugmodelle von A2A Simulations ja aus: Es gibt immer was kontrollieren, weil immer was schief gehen kann, und falsche Behandlung des Flugzeugs hat Konsequenzen – einschließlich falscher Landungen. Mir zumindest macht es Spaß, und es gibt mir das Gefühl, ein komplexes technisches System zu beherrschen – ein analoges System, im Gegensatz zu all den Airlinern mit ihren Computern an Bord.
Das Flugverhalten ist auch nicht ganz einfach. Im Langsamfllug ist die Comanche ziemlich nervös, im Reiseflug ziemlich stabil. Mir ist aufgefallen, dass sie auch nicht besonders stabil geradeausfliegt – sie neigt dazu, in die Kurve zu kippen.
Innen und außen
Das Außenmodell ist gut gelungen, die Maschine wirkt tatsächlich sehr elegant und ist präzise modelliert.
Innen ist die Piper auf einem hohen technischen Stand: die Texturen sind hoch aufgelöst, die Instrumente toll animiert. Es gibt mittlerweile sichtbare Passagiere, falls jemand das möchte.
Nachts lässt sich die Hintergrundbeleuchtung der Instrumente über einen kleinen Drehschalter stufenlos regeln, und zusätzlich noch rotes Dämmerlicht und / oder weißes Flutlicht (beide am Dach) zuschalten.
Walk-around
Der Walk-around ist ein einzigartiges Feature bei A2A.
Performance
Bei der Performance habe ich keine Unterschiede zu anderen General-Aviation-Flugzeugen festgestellt – mit meinem alten Prozessor Ryzen 5600x hatte ich in Norddeich etwas mit Rucklern zu kämpfen, das ist aber seit dem Upgrade auf den 5800x3d nicht mehr so.
Fazit
A2A hat ein richtig gutes Flugzeug abgeliefert, das enorm von den Möglichkeiten des Microsoft Flight Simulators profitiert, insbesondere die Steuerung über das Tablet ist viel intuitiver und komfortabler, als das früher per Fenster im FSX war. Dabei ist die Comanche eine gute Wahl für ein Flugzeug, um die Simulatorwelt zu entdecken – etwas schneller als die anderen GA-Maschinen, wegen des Verstellpropellers und des Einziehfahrwerks etwas komplexer zu fliegen, aber dennoch gut geeignet für kleine Feierabendflüge. Man kann die Maschine darüber hinaus sicher auch nach den mitgelieferten Tabellen über “Langstrecken” fliegen.
Im Vergleich zu anderen Maschinen im MS FS gefällt mir die Detailverliebtheit und Komplexität, zum Beispiel der Motorsteuerung, sehr gut – so wird es selten langweilig, auch bei längeren Flügen.
Für das Gebotene und den langen Spaß, den man mit dem Flieger hat, ist der Preis von knapp 56 Euro gerechtfertigt – auf jeden Fall preiswerter als die Fassungen für Prepar3d früher.
Informationen
Pro | Contra |
Sehr detailliertes Simulationsmodell Langer Spaß an einem komplexen technischen System Gewohnte Qualität von A2A | |
Testsystem | |
Entwickler: A2A Simulations Preis: 55,63 € Kauf: simMarket | AMD Ryzen 5 5800X3D @ Stock Speed Oculus Rift CV 1 GeForce GTX 4070ti, 12 Gb Windows 10×64, 32 Gb Hauptspeicher Diverse SSD |
Dr. Patrick Seiniger