A2A und General Aviation-Flugzeuge, das ist eigentlich ein alter Hut. Auch ich wäre versucht gewesen, “kennste eine, kennste alle” zu denken – hätte ich nicht damals während meines Reviews der Comanche (hier nachzulesen) schon einiges über die Charakteristik der Bonanza gelesen. Denn dramaturgisch war der Text so aufgebaut, dass er zunächst ausführlich die Situation nach dem zweiten Weltkrieg (viele Piloten, viele billig verfügbare Restbestände von Maschinen aus Militärproduktion) beschreibt und dann auf Beech’s grundsätzliche Strategie (ein top-performendes Flugzeug für die gut ausgebildeten Piloten) einzugehen. Die hat aber nicht funktioniert. Erstens, weil die gut ausgebildeten Kampfflieger wenig Lust auf Fliegen hatten und zweitens die Kunden mit ausreichend Geld nicht mit dem schwierigen Flugverhalten umgehen konnten. Kurz: Es gab eine Menge Unfälle, die Maschine hatte ihren Ruf und Spitznamen als Doktor-Killer weg, und die Comanche trat einige Jahre später mit eben diesem gutmütigen Flugverhalten an. Nun ziemlich genau dreieinhalb Jahre nach der Comanche, gibt uns A2A die Gelegenheit, nachzuempfinden was die Bonanza damals so schwierig beherrschbar machte.
In diesem Review möchte ich daher mal von meiner üblichen Vorgehensweise abweichen und hauptsächlich herausarbeiten was die Bonanza – ausgehend vom bekannt hohen Niveau von A2A – von den anderen Privatflugzeugen von A2A unterscheidet und warum es sich lohnen könnte, dieses Flugzeug in den virtuellen Hangar zu stellen.
Das Vorbild: Beechcraft Bonanza V35B
Und das fängt schon wieder beim sehr interessanten (und hier verfügbaren) Handbuch an, dass natürlich viel detaillierter als bei der Comanche an die Eigenheiten der Bonanza heranführt. Kurz auf den Punkt gebracht: Die Bonanza wird bei hinten liegendem Schwerpunkt sehr sensibel um die Nick-(Pitch-)Achse, ein Strömungsabriss kommt aufgrund des Flügelprofils sehr plötzlich, sie ist generell nicht sehr richtungsstabil. Oder positiv formuliert: agil. Ein Motor mit hoher Leistung (8,5 Liter 6-Zylinder-Boxer mit 285 PS), der natürlich auch zu einem hohen zu konternden Moment um die Gierachse führt. Konsequenz daraus: mit der Bonanza kann man schnell und sportlich unterwegs sein. Sie ist aber kein Flieger der einmal getrimmt zum ausgiebigen Betrachten der Landschaft einlädt und sich von alleine landet, so wie es beispielsweise die Piper Cherokee vormacht. Vor allem dann nicht, wenn sie hecklastig beladen ist.
Das hier gesagte gilt im Wesentlichen für die frühen Varianten, denn die Bonanza wird seit 1947 bis heute gebaut; bis 1982 mit dem V-Tail, aber ab 1968 schon parallel mit einem konventionellen Leitwerk und anderem Flugverhalten (im Simulator erlebbar beispielsweise in X-Plane mit der Carenado Bonanza und Reality Expansion Pack). Das simulierte Flugzeug, die Bonanza V35B, wurde grundsätzlich zwischen 1970 und 1982 gebaut.
“Unser” Exemplar verfügt noch über die Klappensteuerung per Hoch-Runter-Stopp-Schalter mit Zwischenpositionen und scheint damit deutlich früher als 1982 gebaut worden zu sein. Außerdem verfügt die Bonanza generell über eine Seil-Kopplung zwischen Ruderpedalen und Steuerhorn, die so eine Art Autokoordinierung darstellt und damit das Kurvenfliegen etwas vereinfacht, und eine Federvorspannung der Steuerung um die Nickachse (was uns im Simulator nicht wirklich weiterhilft; wir haben ja ohnehin schon eine Federvorspannung in unseren Steuerungen).
Der auffälligste Unterschied, das Alleinstellungsmerkmal, das V-Leitwerk, wiederum, hat laut Handbuch wohl einen nur vernachlässigbaren Einfluss auf das Flugverhalten (so es denn dranbleibt; eine Schwäche der allerersten Bonanzas war die große Anfälligkeit der “Ruddervator” genannten Klappen für Overspeed).
Zum Verständnis: Es handelt sich hier um kombinierte Ruder und Höhenruder. Für die Ruder-Funktion werden die Klappen gegeneinander bewegt, also eine hoch, eine runter:
Für die Höhenruderfunktion ist es genau umgekehrt: Die Klappen werden gleichsinnig (beide hoch oder beide runter) gedreht.
Das Simulationsmodell
A2A verkauft die Bonanza im simMarket für gute 50 Euro (FSX oder Prepar3d V4 Academic), gute 70 Euro (FSX und Prepar3d V4 Academic), gute 80 Euro (Prepar3d V4 Professional) und gute 100 Euro (FSX und Prepar3d V4 Professional). Das ist stabil das Niveau der anderen GA-Maschinen von A2A. Alternativ gibt es das Addon unter anderem auch im eigenen A2A-Webshop. Seit der Umstellung auf Prepar3d V4 gibt es ein Update-Tool je Flugzeug (früher waren das bei A2A ja Bundles mit Updates für alle Maschinen und Simulatoren).
Nach dem Start begrüßt uns das neu erstandene Flugzeug mit laufendem Motor; damit entgeht einem der Spaß des Walk-Arounds und des Hangars (das lässt sich aber durch einen Klick im Übersichtspanel sofort ändern). Im Hangar können ja – bei stehendem Motor – Modifikationen und Reparaturen vorgenommen werden. Die Änderungen hier sind im Vergleich zu anderen Fliegern eher klein; die im Flug doch störenden Vorhänge können entfernt werden, der Motor kann auf 300 PS aufgerüstet werden, und ansonsten ist es wie gewohnt möglich, Öl, Kerzen und die Batterie zu tauschen. Besonderheit: Es gibt Zusatztanks an den Flügelspitzen, an denen kleine Spiegelchen verbaut sind. Damit kann die Funktion der grünen Fahrwerkslampen überprüft werden. Was genau in den Spiegelchen angezeigt wird kann im Configurator ausgewählt werden.
Der von A2A bekannte Walk-Around ist nicht anders als bei anderen Flugzeugen.
Im Cockpit
Für mich persönlich ist das Cockpit einer Flugzeugsimulation der wichtigste Part, weil – wenn man es richtig macht – fliegt man ja eher von drinnen als draußen. Neben dem angesprochenen Unterschied bei der Klappensteuerung fällt auf, dass die beiden Steuerhörner an einem gemeinsamen Querbalken montiert sind (wie üblich ausblendbar durch Klick auf die Zentralachse). Das ist sogar eine Sonderausstattung: regulär kam die Bonanza mit nur einem Steuerhorn, das aber zwischen den Pilot und Copilot hin- und hergestellt werden konnte.
Schön gefällt mir die ungeteilte Cockpitscheibe!
Das Hauptinstrumentenbrett der Bonanza ist nicht anders aufgeteilt als bei anderen Modellen, links die klassischen Fluginstrumente, rechts die Avionik. Lichter und Nebenaggregate werden über eine Schalterleiste am unteren Rand des Instrumentenbretts gesteuert, und dort befinden sich zentral auch die Bedienelemente für den Motor (Drossel, Drehzahl, Gemisch und Kühlklappen) und die Landeklappen.
Rechts liegt das Panel mit den Sicherungen.
Der hier verbaute Autopilot verfügt – ganz unüblich für kleine Flugzeuge – über einen Flight Director. Die einzelnen Modi sind einfach per übersichtlichen und großen Knöpfen anwählbar, toll für VR-Flieger wie mich, die sich dann nicht so weit vorbeugen müssen um die Beschriftung zu entziffern.
Die Bonanza lässt sich so konfigurieren, dass das Default-GPS-Modul in der Avionik integriert ist, oder eben nicht. Addon-GPS lassen sich über den Configurator nachrüsten, da ich aber keines installiert habe kann ich dazu nichts sagen.
Die Nachtbeleuchtung ist nett anzusehen. Es gibt Kabinenbeleuchtung in weiß, grün und rot, bei der sich die Strahler teilweise verstellen lassen.
Alles in allem ein Cockpit, in dem ich mich wohlfühle und das sehr gut getroffen ist.
Außenmodell
Auch das Außenmodell ist – wie üblich bei A2A sehr gut getroffen. Besonders schön finde ich die große rahmenlose Frontscheibe in der Seitenansicht.
Aber die Bonanza sieht eigentlich aus allen Richtungen gut aus:
Bei sehr naher Betrachtung lässt sich die Liebe zum Detail erkennen:
Das Außenmodell ist so detailliert, wie man es von einem A2A-Addon erwarten kann.
Flugverhalten
Das Flugverhalten, der eigentlich spannende Aspekt dieses Fliegers schauen wir uns jetzt an. So viel vor weg – sie ist herausfordernd, einfach zu beherrschen ist die Bonanza nicht. Bei höheren Geschwindigkeiten ist es einfacher mit ihr umzugehen. Versucht mal, wenn der Flieger etwas mehr beladen ist, beim Take-Off-Run mit voller Drehzahl, voller Motorlast und direkt bei Beginn des grünen Bogens abzuheben, und ihr seht was ich meine: Noch auf dem Boden ist die Kontrolle der Querabweichung harte Arbeit. Bei Verlassen der Bahn zieht die Maschine hart nach links und muss abgefangen werden, was Schwingungen um die Hochachse zur Folge hat. Besser wird es erst, wenn wir Geschwindigkeit gewinnen. Ich habe auch das Gefühl, dass die Stabilität ohne Fahrwerk besser ist, also schnell rein mit der Mechanik!
Im Cruise gilt: Ohne permanente Lenkkorrekturen geht es nicht geradeaus. Da hilft dann nur der Autopilot. Und bei der Landung ist es ähnlich: In einer hecklästigen Konfiguration scheint es mir, als wäre es das Beste, möglichst schnell zu landen und das Fahrwerk möglichst spät auszufahren, ansonsten wird es um die Querachse sehr wackelig. Leichter und frontlästiger beladen ist die Kontrolle einfacher.
Als Eindruck hier ein Video von Flugvorbereitung und Platzrunde mit vollem und unvorteilhaft beladenem Flieger:
Das klingt zunächst mal eher negativ. Aber: Die Bonanza kann eben auch mehr als andere Flugzeuge. Im Handbuch findet sich die vielversprechende Formulierung i”No acrobatic maneuvers are approved except those listed below.”, und das sind:
- Chandelle, eine enge 180°-Kurve mit Steigflug bis hin fast zum Stall,
- Steep Turn, eine Kurve mit deutlich mehr als 30° Rollwinkel,
- Lazy Eight, eine Kombination aus Kurve und angetauchtem Looping,
- Stall, das sollte bekannt sein.
Insgesamt fühlt sich die Bonanza deutlich sportlicher an als eine Cessna 182. Im Grenzbereich kann man aber eben auch viel mehr falschmachen. Wenn der Stall kommt sinkt die Nase sehr schnell, und eine falsche Reaktion mit dem Ruder führt nahezu unvermeidlich zum Absturz – außer natürlich, ihr habt noch einige 1000 Fuß Luft unter euch. Um das zu verdeutlichen habe ich euch ein Video einer Platzrunde mit ein paar Stalls gemacht. Die Beladung ist übrigens deutlich vorteilhafter, und ich meine, das Gewackel beim Endanflug ist auch besser.
Ist das ein Flugzeug für die Feierabendflieger? Nun ja, teils: Mit dem Autopilot kann man relativ entspannt die Landschaft genießen oder Strecke machen (der gelbe Bereich beginnt bei 167 KIAS, das ist knapp über 300 km/h!). Aber: es ist nicht garantiert, das jeder Anflug zur Landung führt. Ich musste, aufgrund der Nickinstabilität und vermutlich weil ich zu langsam war, gelegentlich durchstarten. Bei den erfolgreichen Landungen ächzt der Flieger schon ein wenig, aber das scheint kein Problem zu sein, denn bei den folgenden Inspektionen sind dann doch eigentlich immer nur die Zündkerzen verrußt. Also: eigentlich geht es dann doch oft gut. Und ohne Herausforderung wäre es ja langweilig, dann könnten wir ja auch die Default-Flugzeuge im FSX fliegen, was?
Performance
Die Bonanza verhält sich von der Performance her nicht groß anders als die anderen GA-Maschinen von A2A. Und generell scheint mir seit den letzten Versionen von Prepar3d V4 die Performance immer weniger ein Thema zu sein, es bleibt halt flüssig. Und das sogar – wenn jetzt keine sehr belastende Gegend hinzukommt – in der Oculus Rift (hatte ich schon mal erwähnt, das die Rift und GA-Flugzeuge eine tolle Kombination sind?),
Fazit – Warum die Bonanza?
Weil wir es können wollen, würde ich sagen. Ein anspruchsvolles Sportflugzeug, bei dem nicht jede Landung gelingt, bei dem ungünstige Beladung ein Problem ist, das aber deutlich sportlicher bewegt werden kann als eine Cessna. Das ist auch der wesentliche Unterschied zu den anderen Maschinen, denn der Rest ist bekannte A2A-Qualität, vom überaus interessanten und motivierenden Handbuch bis zum exzellenten 3D-Modell.
Und subjektiv finde ich das Cockpit schöner als in der Comanche, auch nachts und die Bonanza ist viel flotter als die Cherokee. Mein neuer Flieger der Wahl zum Erkunden von schönen Landschaften (und ihr könnt mich ja daran messen, ob ich das bei den nächsten Szenerie-Reviews durchziehe). Wer also ein Fan von General Aviation-Flugzeugen ist und eine etwas andere Herausforderung sucht kann gerne zugreifen!
Informationen
Pro | Contra |
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Informationen | Testsystem |
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Dr. Patrick Seiniger
—> dem kann ich ungeteilt zustimmen, mit einer wichtigen Ergänzung: in der Bonanza ist auch die Sicht nach aussen deutlich besser als aus der Comanche heraus. Im VC der Comanche hat man immer ein wenig das Gefühl als würde einem gleich das Dach auf den Kopf fallen.
—> dem kann ich nur bedingt zustimmen: mit dem stärkeren Motor von zwei möglichen konfiguriert, empfinde ich die V35B als mit Abstand die Stärkst was ihre Steigleistung angeht im Vergleich zur Cherokee oder Comanche von A2A. VFR Flüge in Gebirgsregionen in A2A’s Bonanza: einfach ein Traum, wirklich, und alles andere als langweilig !!!
–> muss fast zugreifen!
Ausser jemand sucht die ultimative Herausforderung, nicht nur beim Start sondern vor allem auch bei der Landung. Mit allerbester Rundumsicht und einem unnachahmlichen Fluggefühl, so als würde man direkt von der Luft getragen werden, Teil des Geschehens sein und der Motor jeden Moment “zerreissen”: Dann greift man am besten zu einen A2A Warbird, Spitfire Mk.II oder Mustang P51D —> da langen die heute gebräuchlichen GA Flugzeuge nicht hin, was das Flugerlebnis- / und -gefühl vor dem heimischen PC anbelangt.
Wenn man die Warbirds ordentlich beherrscht, dann kommt einem die Bonanza während ihres Start- und Landeverhaltens fast kinderleicht vor, ehrlich !!! Hier merkt man auch die Verwandtschaft zu den grandiosen WWII Fightern, und dass in der V35B tatsächlich noch viel Warbird steckt. A2A hat dieses Detail grandios ungesetzt.
Apropos zum Start der Bonanza: Scott Gentile gab mal im A2A Forum eine Anleitung (bitte selbst regergieren) und seit ich es so mache funktionieren die Starts beinahe wiederholbar und recht einfach. Ausser die Piste ist zu kurz, dann kann es schon mal sehr schnell sehr brenzlig werden.
Die Kurzform: Auf höchste RPM kommen lassen und los. Maschine auf 80 Knoten (unbedingt!, nicht darunter) und Steuerhorn-/Knüppel gaaaaaanz sachte heran ziehen, fast unmerklich und plötzich ist das Maschinchen stabil und sicher in der Luft.
Ich vergass, und worauf die Review gar nicht eingeht: Die ausgesprochen tollen Regeneffekte inklusive Sound und toller Performance !
Man mag diesen Effekt belächeln oder vernachlässigen. Aber wenn er authentisch wirkt, gut gemacht ist, und der Seitwärtsflug der Regentropfen sich auch noch der Fluggeschwindigkeit anpasst, dann kann dies noch besser die Illusion von Geschwindigkeit vermitteln, denn immerhin sitzen wir vor einem Computer (ich sogar ohne VR, dafür mit TrackIR).
Ob TrueGlass und schon gar nicht P3D’s default “Kaulquappen-Effekt”, alle habe ich bisher deaktiviert, auch aus Performance-Gründen (da man System mittlerweile betagt ist). Aber der von A2A bleibt, und diesen Effekt hat bisher nur die Bonanza aus der A2A Palette, soweit ich weiss.
Wow!, das ist grosszügig von A2A: auf Twitter https://mobile.twitter.com/a2asimulations/status/1060305689908789250 gaben sie bekannt, dass GENAU DIESE Regeneffekte – wie erstmals in der Bonanza verbaut, nun für Free- als auch Payware-Entwickler gleichermassen frei zugänglich sind.
Die wieder aufgelegte Curtis P-40 Warbird für P3D v4 wird mit diesen Effekten per default ausgeliefert.
Hallo Marcel,
vielen Dank für Deine Hinweise! Die Performance, die ich meinte, ist die Performance des Simulators, in FPS. Klar, mit der Bonanza kann man wegen des Motors natürlich viel schneller steigen als mit den anderen Maschinen. Sorry, das war etwas mißverständlich.
Passt scho du alter Tespilot 🙂 ; gerne geschehen.