2013 könnte als das “Jahr der Turboprops” in die Geschichte der Flugsimulation eingehen! Endlich ist es gelungen, die Fesseln des ungenügenden Triebwerksmodells im FSX abzustreifen. Zu den zahlreichen respektablen Umsetzungen der letzten Zeit gesellt sich seit dem Sommer sogar eine königliche Hoheit hinzu: Flight1 brachte die Beechcraft Super King Air B200 heraus. Nach anfänglicher Euphorie war es länger verdächtig still um den Flieger.
Mittlerweile liegt die Version 1.3 vor, so daß die üblichen Kinderkrankheiten ausgestanden sein dürften. Grund genug für uns, die Pferde zu satteln und seiner Hoheit die Aufwartung zu machen. Wie so oft war unser Recke Stefan Benzinger wieder auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Flugsimulation. Ob er denn auf seiner Reise auch höfische Pracht erlebte oder am Ende gar “not amused” war, erfahrt Ihr unter
Der erste Eindruck
Alle Achtung! Das ist kein GA-Twin mehr, der da vor einem steht. Sondern fast schon ein kleiner Airliner.
Das Aussenmodell ist detailliert und sorgfältig umgesetzt, ohne sich in Animations-Spielereien zu verlieren. Die Performance dankt es uns, und so macht auch das stimmige und detaillierte Innere des Fliegers richtig Spass. Links vorne Platz genommen, kommt die sprichwörtliche Enge des Zweimann-Cockpits deutlich rüber. Dominierend sind die insgesamt drei Displays der Avionik vom Typ Garmin 1000; ansonsten ist das VC ganz “old school” und garniert mit vielen Schaltern und Knöpfen. Diese haben (fast) alle auch eine Funktion und natürlich einen authentischen Klicksound.
Entgegen meinem Spieltrieb nehme ich mir noch eben die Dokumentation zur Hand. Das 124 Seiten starke pdf bietet eine gut lesbare, sehr praxisnahe Einführung in das Muster. Die mitgelieferten Checklisten umfassen neben dem Normalbetrieb auch etliche ‘abnormals’. Umfangreiche Tabellen und Leistungsdaten sowie praktische Flugtipps runden das Bild ab. So gehört sich das!
Das sagt der Hersteller
Flight1 sind niemals bescheiden bei ihren Produktbeschreibungen. Allerdings habe ich mich in der Vergangenheit davon auch nie getäuscht gefühlt. Der Publisher hält, was er ankündigt. Das ist eine ganze Menge, und im englischen Original hier nachzulesen.
Heraus sticht vor allem eines: die Ankündigung eines “G1000”-Retrofits, das 2009 eine ganze Menge neuester Technologie in die eigentlich schon fast 50 Jahre alte King Air-Baureihe gebracht hat. Versprochen wird ein digitaler 2-Kanal-Autopilot, GPS inklusive WAAS-Fähigkeit, eine Hinderniskarte als ‘moving map’ sowie das ‘SafeTaxi’-System, das die AFCAD-files von Standard- und Add-on-Szenerien ausliest und darstellt. Mit diesen Features sind die realen Flieger RVSM-fähig und sogar für den Betrieb mit einem Piloten zugelassen.
Das ist mir aufgefallen
Die Flugeigenschaften einer Twin sind für mich recht glaubhaft abgebildet. Ein Triebwerksausfall bei v1 lässt einen wirklich schwitzen! Die Maschine lässt sich manuell grosso modo gut fliegen, wobei der Stubenpilot hier in einem janusköpfigen Flugzeug unterwegs ist: manchmal fühlt sich die Maschine an wie ein übermotorisierter zickiger GA-Turbinen-Zweimot, manchmal ist sie gemächlich und träge wie ein Airliner. Ob das der Realität entspricht, weiß ich natürlich nicht. Aber ganz so gutmütig und leicht zu fliegen, wie die King Air verschiedentlich beschrieben wird, hat Flight1 sie nicht programmiert.
Die Komponenten Flight Director und Autopilot zeigen ein gut abgestimmtes Zusammenspiel. Über die abdockbaren Pop-up-Panels lässt sich eine gute Bedienbarkeit sicherstellen. Ich konnte keine gravierenden Mängel feststellen. Leider wurde VNAV nicht implementiert; seit den Service Packs ist aber wenigstens eine suffiziente Routenplanung und ein fuel management ‘in flight’ möglich.
Die Modellierung des Turbinenantriebs unterscheidet sich zwar vom FSX-Default-Modell. Die Tiefe der Majestic Dash 8 Q400 wird jedoch bei weitem nicht erreicht. Es ergibt sich eine etwas “holprige” Bedienung, gerade in der ß-Range und des Reversers. Trotzdem kann eine Fehlbedienung eklatante Folgen haben (‘hot start’); auch ein in-flight-relight ist realistisch machbar. Mit geladener Maschine wird via FSX-Menü ein Tool – das Maintenance Module – aufgerufen. Hier können weit über den FSX hinaus Verschleiß und Fehleranfälligkeit von Triebwerken, Klappen und anderen Systemen bestimmt werden.
Und Flight1 spart nicht mit weiteren Extras! Mitgeliefert wird zum einen ein Tool, das die Auslagerung der FMC-Bedienelemente (GCU 447 MFD) als Android-App auf ein Tablet oder Smartphone ermöglicht. Das Aussehen der Displays kann ebenso wie die Kabinenausstattung über einen externen Konfigurator bestimmt werden. Das Garmin verfügt ebenfalls über eine separate Seite, bei der Präferenzen festgelegt werden können (z.B. Temperaturen in °C oder °F). Lediglich Beladung und Sprit werden über das FSX-Standardmenü festgelegt.
Sehr gelungen ist auch das Soundpaket. Wirklich zum Lachen gebracht hat mich der Sound der Kaffeemaschine gleich hinter dem Cockpit links, wenn man die galley power einschaltet und das Gerät erst mal spült. Wie daheim…
Das muss man wissen
Das Garmin 1000 ist wirklich wie versprochen umgesetzt worden. Lediglich die (allerdings auch nie angekündigte) VNAV-Option und ein paar unbedeutende Menüeinstellungen fehlen. Leider war auch auf Nachfrage nicht zu erfahren, ob hier noch nachgeliefert werden soll. Ich habe dann noch einen Abgleich mit einigen realen Trainingsunterlagen von Flugschulen aus dem Netz gemacht. Hier findet sich eine weitgehende Deckungsgleichheit! Es ist sicher nicht bis zum letzten bit alles da, was das Original hat. Aber zum Warmwerden reicht es locker aus. Flight1 selbst verlinkt aus dem Handbuch auch auf das originale Garmin-Trainingsmanual im Netz. Das zeugt von Selbstbewusstsein.
Ein paar Beispiele aus einem Flug von Key West (KEYW) nach Miami Intl. (KMIA) zur Verdeutlichung:
Das ‘SafeTaxi’-System liest auch die AFCAD-files von Add-ons automatisch ein (hier: Key West)
Die Area Chart um Key West
Flugplanungsmodus (hier automatisch erstellt von und importiert aus proATC X)
unterwegs auf FL180, 20 nm vor dem TOD: Anflugplanung (hier: KMIA CURSO2.MTH ILS 09)
Auswahl des ILS-Anfluges auf die 09 in Miami
Eingaben komplett. Leider fehlt jegliches Vertikalprofil (VNAV nicht implementiert)
Seit Glascockpits auch in kleineren Maschinen wie der King Air oder sogar GA-Mustern verfügbar sind, gibt es in der realen Luftfahrt durchaus geteilte Meinungen zu den Vor- und Nachteilen dieser Entwicklung. Diese Kontroverse kann man mit dem vorliegenden Produkt schön nachvollziehen! Wer wie ich simulatorisch mit den “holy six”, Karte und Uhr groß geworden ist und schon ein GPS als Luxus empfindet (von EFB oder dem FSC gar nicht zu reden!), der ist von all den Anzeigen schnell erschlagen, verzettelt sich in Klick-Abenteuer und übersieht am Ende (beziehungsweise kurz davor :-[) die wesentlichen Informationen.
Das werde ich nicht vergessen
Flight1 hat mich erneut nicht enttäuscht! Es ist alles da, was angekündigt wurde. Ein paar Wermutstropfen stellen sich dann aber doch noch ein: aus der Pilotensicht sind viele Anzeigen auf dem Garmin schlecht zu erkennen. Die Schrift ist teilweise sehr klein. Die Bedienung des VC hakt an einigen Stellen, denn die vorgesehenen Klickspots sind zu klein oder Knöpfe schlicht nicht erreichbar. Es gibt kein 2D-Panel, wohl aber abdockbare Anzeigen der Displays und der wichtigsten Bedienkonsolen wie Autopilot und FMC. Wohl dem, der einen Head-Tracker oder ein Kamera-Tool sein eigen nennt.
Speziell die Release-Version war noch sehr leistungshungrig. Das hat sich in der Version 1.3 deutlich gebessert. Mit meinen Standardeinstellungen konnte ich stets stabile Bildwiederholraten erzielen, die in der Nähe der Coolsky DC-9 Classic oder der PMDG NGX lagen.
Die Flight1 Beech King Air 200 ist kein Schnäppchen. Sie bietet aber auch vieles, was bis dato noch nicht im FSX abgebildet wurde. Wer sich aufmacht, den Heiligen Gral der Flugsimulation zu suchen, wird an diesem königlichen Hofe sicher eine lohnende Rast einlegen können. Es bedarf aber einiger Übung, sich an die Welt der Garmin-Cockpits, ein etwas eigenwilliges Flugverhalten und die Besonderheiten des Turboprop-Betriebes zu gewöhnen.
Auf einen Blick
PRO | CONTRA |
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INFORMATION | TESTSYSTEM |
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Danke für die richtig tolle Beschreibung dieses Fliegers.Aber: Bei 45 (!) Euro sollte eine VNAV- Umsetzung, so sie im Orginal denn vorhanden ist, auch im Modell vorhanden sein.
Danke für das Review!
Lieber Günter,
nur eine kurze Frage. Erreichen Euch die Infos von uns eigentlich (“Schick uns Deine News!” rechts oben auf der Seite)? Ich frage nur, weil die E-Mail-Adresse dort @simflight.com heißt und diese Seite ja englischsprachig ist. Von allen X-Plane-Infos, die ich bisher an diese E-Mail sandte wurde bisher nie etwas veröffentlicht. (Angebotsaktionen bspw.). Gestern und heute habe ich auch 2 E-Mails geschickt (1x mit Videolinks von der IXEG 737 und 1x mit der News zu dem HD MESH V2, welches heute von alpilotx veröffentlicht wurde).
LG
ich bin auch dafür, diese Videos hier:
http://www.ixeg.net/blog/item/33-from-cold-and-dark-to
mit der Community zu teilen – endlich eine super 737 (besser als PMDG, wenn auch keine NGX)
Also, damals meine beiden Saab 340-Infos wurden auch als News veröffentlicht.
Bei Angeboten/Aktionen müsste man ggf. bedenken, dass simflight recht eng an simMarket hängt, sodass Angebotsnews zu konkurrierenden Shops sicher nicht so gerne veröffentlicht werden 😉
@Mario: nein, das ist falsch. Den simmarket interessieren unsere Seiten inhaltlich nicht. Sonst würde hier keine Review stehen über ein Produkt, das vermutlich niemals im simmarket erscheinen wird (ebenso wie ORBX oder die PMDG 777 X). Wir haben das alles schon zig mal erklärt…gääähn!
@alle: das ist völlig off topic, was hier diskutiert wird. Ich halte es für besser, wenn sich Holger als Chefredakteur zu der Thematik äußert. Ich hoffe, er liest hier mit.
Fakt ist, daß sich im gesamten simFLight-Team (das bekanntlich auch nur aus ehrenamtlich tätigen Freiwilligen besteht) nur ein aktiver X-Planer befindet. Wir kochen auch nur mit Wasser 😉
Völliger Blödsinn! Wir machen die News hier in unserer Freizeit und wir können nicht immer sofort reagieren. Ich komme bspw. gerade von einer Geschäftsreise und war ein paar Tage lang offline…
War halt ne Vermutung, Carstens Frage zu beantworten. Aber die IXEG-News und die HD-Mesh-News sind ja online.
Ich denke, die News erreichen uns. Kann ja nicht sagen, was alles losgeschickt wurde, aber erreichen tut uns was 😉
Grade bei Angebotsaktionen und Updates sind wir eher zurückhaltend und wägen da etwas ab. Weil, auf gut deutsch, wird alle Nasen lang irgendeine Rabattaktion gestartet. Auch im simMarket! Dessen Aktionen treten wir hier aber auch nicht extra breit, auch uns wenn uns schon wieder eine gewisse Bevorzugung unterstellt wird.
Jedenfalls sind wir immer dankbar für News und bitten einfach um Verständnis, wenn etwas nicht oder etwas später veröffentlicht wird. Das sind in der Regel einfach ganz banale Gründe.
Als ein mit den holy six in der Muttermilch groß gewordener, vemisse ich VNAV nicht. Ein wenig Kopfrechnen und schon habe ich den TOD. Höhendifferenz/Sinkrate ergibt die Zeit die zum Sinken benötigt wird. Die Grundgeschwindigkeit/60 ergibt die zurückgelegte Strecke pro Minute. Zeit x Strecke zeigt mir wohin ich meinen TOD legen soll.
Beispiel: An einem bestimmten Fix sollen 7000ft erreicht werden. Komme ich aus FL280, so ergibt sich eine Höhendifferenz von 21000ft. Sinke ich mit den empfohlenen 1500ft/min, so ergibt sich eine Sinkzeit von 14min. Bei einer Geschwindigkeit über Grund von 220kt lege ich 3,66NM pro min zurück. So ergibt 3,66×14 eine Distanz von 51,3NM. Also werde ich den TOD 55NM vor das Fix legen, damit ich gegebenenfalls auch noch die Geschwindigkeit reduzieren kann.
Subjektiv fehlt mir eine externe Stromversorgung, da ich es nervig finde sich bei laufenden Triebwerken durch das Garmin zu quälen.
Tja, das ist nicht allein das Kriterium. Heutige Stubenpiloten (und leider in vermehrtem Masse auch die “echten” Piloten) sind halt ein bisschen zu bequem, um allfällige Descent-Restricitons manuell einzuhalten. Wie habe ich es bloss geschafft, in meinen “fliegerischen Jugendjahren” ohne solchen Schnickschnack zu überleben 😀 ?
Interresant. Ich dachte die KingAir hat im Gegesatz zur Citation Mustang sehr wohl VNAV. Ich bilde mir ein, dass irgendwo mal gelesen zu haben. Ne, also diese Unart auf VNAV zu verzichten ist echt ne ganz blöde Geschichte und für mich ein Grund nicht zu kaufen.
Vielen Dank für das Review! Mir ist die Flight1 B200 für das Gebotene allerdings auch zu teuer.
Ich werde einfach auf die King Air 350i von Milviz warten. Da hat man dann die Wahl zwischen den alten Analoginstrumenten und der neuen Proline 21 Avionik Suite und VNAV wird ebenfalls umgesetzt. Die Optik ist ebenfalls super: http://www.milviz.com/forum/viewtopic.php?p=33426#p33426
Die Milviz sieht echt gut aus – denke, die werde ich mir auch eher gönnen. Wobei mich die Flight 1 eigentlich auch reizt – aber 2 (wenn auch unterschiedliche Ausführungen) lassen der Geldbeutel dann doch nicht zu 😉
Ich hatbe die Maschine auch getestet /zum Glück gibt es eine Rückgaberecht bei F1) – sie läuft ordentlich, hat schreckliche Clickspots und mit der Throttle-Einstellung über FSUIPC gibt es ein paar Probleme. Ich warte ebenfalls auf die MIlviz. Kannst Du für eien VNAV-Umsetzung eine Quelle anbieten?
Auch von mir vielen Dank für dieses sehr informative Review. Vielleicht gehört es zur Geschichte dieser B200 Super King Air, dass sie die “Weiterentwicklung” der damals im FS9 sehr erfolgreichen King Air von “Aeroworx” ist. Nicht umsonst das Gimmick mit der Kaffeemaschine ;-).
Ich habe mir die Flight1 King Air gekauft, bin aber viel häufiger mit der C90 oder der B200 von Carenado unterwegs. Unterbewusst habe ich als GA-Fan wohl doch eine leichte Aversion gegen Glascockpits, auch wenn der Inhalt an Informationen schier unermesslich erscheint.
Die von Stefan beschriebene “holprige” Umsetzung der ß-Range bzw. der Reverser finde ich ebenfalls nicht sehr gelungen, auch wenn man seinen Joystick durch entsprechende Änderungen z.B. über FSUIPC anpassen kann. Out of the box und zu einem Preis von 45 Euro sollten solche Extra-Arbeiten eigentlich überflüssig sein.
Von Stefan nicht erwähnt aber vielleicht schon allgemein bekannt: Flight1 will/kann seine Produkte (ähnlich wie PMDG seine Boeings) nicht für den Prepar3D freigeben. Da Flight1 selbst eine professionelle Simulatorschiene betreibt, möchte man in das Konkurrenzprodukt von LM nicht einsteigen. Das ist zwar schade, aber okay. Käufer der Flight1 King Air sollten das aber im Hinterkopf haben, falls sie auf P3Dv2 umsteigen wollen.
“PMDG seine Boeings) nicht für den Prepar3D freigeben”
so schnell veralten solche statements. soeben hat PMDG in letzter minute das gegenteil vermeldet, d.h. ab Q1 2014 werden 777 und 737 für P3D v2 erscheinen. sonst wären sie ja wohl auch den Eis-Bach runtergegangen. mal sehen wann F1 nachzieht.
außerdem ist P3Dv2 doch schon längst (hust hust – also soeben) released
mit dem release von P3D v2 ist soeben eine neue ära der flugsimulation eingeläutet worden.
und hier die gute nachricht:
bis zur nächsten version 2.1 wird es nicht wieder 7 jahre dauern wie seinerzeit anno 2006 als der fsx released wurde. jetzt sind die add-on entwickler gefragt. Denn da LM den P3D v2 entwicklern viele neue tools und zusätzlichen zugriff auf viele neuen interna zur verfügung stellt (weit mehr als beim FSX) dürfen wir uns auf viele neue addons freuen die so bisher nicht möglich waren. ob Flight1 etc. da mitzieht oder nicht: who cares. wer zu spät kommt den bestraft der wettbewerb.
P3D: noch nie war er so wertvoll wie heute.