Fleißig sind sie, die Chilenen! Sie versorgen uns mit einem steten Strom exotischer Maschinen – und das über (fast) alle Simulatorgrenzen hinweg. Zuletzt landete die Beechcraft D-17 “Staggerwing” auf der Wiese hinter dem simmarket. Immerhin bereits der vierte (!) Release dieses Jahr. Grund genug für unser Review-Team, sich mit dem schnittigen Oldtimer etwas näher zu befassen. Ob sich Stefans Befürchtung bestätigt hat, daß so viel Quantität zwangsläufig zu Lasten der Qualität geht oder sich die Zweifel in alle Winde zerstreut haben, erfahrt Ihr durch
Der erste Eindruck
Schlank und schnittig kommt sie daher! 89 MB download überfordern keine Internetleitung, und auch auf der Platte sind die 324 MB kein großer Brocken. Keine umständlichen Registrierungs-Rituale wie anderswo, keine Konfigurationsorgien – aber auch nicht viel Dokumentation. Gerade mal ein mageres “datasheet” als pdf wird mitgeliefert.
Damit lässt sich aber vorerst leben, denn die wichtigsten Daten sind übersichtlich angegeben. Außerdem sind wir hier bei simFlight schließlich furchtlose virtuelle Testpiloten. Also flugs den FSX angeworfen und rein in die Klamotte! Wir biegen schnellen Schrittes um die Ecke des Hangars und… bleiben erst mal stehen. Pause. “Und jetzt mach Deinen Mund wieder zu!” mahnt mich mein Kollege.
Hallo die Dame! Unter Enthusiasten gilt die Staggerwing als eines der schönsten Flugzeuge, die je gebaut wurden. Und jetzt weiß ich auch, warum. Alabeo hat hier ganze Arbeit geleistet. Proportionen stimmig, Detaillierung hoch, Texturen fein aufgelöst. Insgesamt 5 gefällige Anstriche gibt die Auswahl vor – historische und zeitgenössische, aber seht selbst. Ein “blank white” Exemplar ist für Repainter gedacht.
Das Außenmodell macht Freude! Und der Eindruck setzt sich innen fort. Animationen sind eher spärlich vorhanden – das freut aber die Besitzer schwächerer Systeme, denn die Frames danken es einem, wenn auf allzu viel eye-candy verzichtet wird. Die Rundum-Drehlichter sind ebenso animiert wie die Auspuffrohre, die drehzahlabhängig vor sich hin vibrieren! Das VC ist überwiegend mit historischen Instrumenten versehen, nur das Radio und der Verbrauchsmesser sind neueren Datums. Ausgelegt ist die Alabeo-Umsetzung übrigens als reine VFR-Maschine. Es gibt lediglich einen Peilsender für ein VOR – damit kann man ein Radial halten, mehr aber nicht. Ein GPS fehlt ebenfalls – ich habe mir ein Payware-Addon nachgerüstet.
Das sagt der Hersteller
Wenig! Im wesentlichen preist er die optische Qualität an. Daran gemessen, erhält Alabeo hier volle Punktzahl. Erfreulich ist, daß bei genauerem Hinsehen auf der Produktseite des Herstellers zwei sehr interessante Links zu originalen Flugdokumenten angegeben sind. Damit lässt sich gut leben und noch besser fliegen. Es ist wirklich alles da: Verbrauchstabellen, flight envelope zur Beladungsplanung, benötigte Start- und Landestrecken und und und – vorbildlich! Ob lizenzrechtliche Probleme der Tatsache im Weg standen, diese Dokumente mit auszuliefern? Ich habe es nicht herausfinden können. Tiefergehende Informationen finden sich übrigens beim Beechcraft Heritage Museum.
Das ist mir aufgefallen
Die Maschine punktet ganz klar bei Optik, Dokumentation und PC-Leistungsbedarf. Auch die Flugeigenschaften wirken glaubwürdig wiedergegeben. Die Maschine ist als “Taildragger” anspruchsvoll in der Handhabung, vor allem am Boden. Klar im Vorteil ist, wer einen Headtracker oder ein Kameratool wie ezdok sein eigen nennt. Alle anderen müssen ihren viewpoint eben mit Bordmitteln anpassen, denn die vordefinierten Kamerapositionen sind nicht sehr hilfreich. Wie das geht, hat das FS-Magazin übrigens kürzlich erläutert.
Die Staggerwing kommt mit einem historischen Antrieb daher: dem Pratt&Whitney R 985 Wasp Junior. Obwohl er der kleinste Vertreter der Wasp-Baureihe ist, bringen die 9 Zylinder mit ca. 16 Litern (!) Hubraum um die 440 PS Leistung – mehr als ausreichend für einen Doppeldecker mit knapp 2 Tonnen maximalem Abfluggewicht. Der Wasp ist übrigens ein strammer Schluckspecht: 90 Liter pro Stunde – aber virtueller Sprit kostet gottlob ja nichts.
Der Sound ist entsprechend der Motorauslegung sehr gut wiedergegeben: Im Reiseflug blubbert die Maschine gepflegt dahin, bei Drehzahländerungen des Propellers sind leise Nebengeräusche zu vernehmen, und beim Startlauf bringt der volle Ladedruck eine entsprechende Geräuschkulisse mit. Aber wo viel Licht ist, findet man auch Schatten – so auch hier: Das Motorenmodell orientiert sich am FSX-Standard. Das reicht für den Normalbetrieb natürlich völlig aus, aber man darf halt keine Finessen technikverliebter Designer wie bei den Fliegern von A2A und Co. erwarten.
Das muss man wissen
Die Staggerwing war zu ihrer Zeit Anfang der dreißiger Jahre der fortschrittlichste Einmot in den USA. Mit ihrer ausgefeilten Aerodynamik, dem Einziehfahrwerk, Verstellpropeller und dem bereits erwähnten Wasp Junior unter der Cowling setzte sie mit ihren Flugleistungen neue Standards im Luftverkehr. Eine Reisegeschwindigkeit von ca. 300 km/h in ca. 8000 Fuß Höhe bei einer Reichweite von 1600 km braucht auch heute noch keine Vergleiche zu scheuen – wenn man vom Verbrauch einmal absieht. Rückblickend wird die Staggerwing heute auch als der “Learjet der dreißiger Jahre” angesehen – viele Unternehmen ließen ihre Führungskräfte darin pilotieren. Auch die Streitkräfte der USA und Großbritanniens stellten die Staggerwing als Kurier- und Verbindungsflugzeug in ihre Dienste – bei der US-Army als UC 43, bei der Navy als GB1 und GB2, bei der RAF als “Traveller”.
Im Flug zeigt sich auch die wahre Klasse des Flugmodells: trotz der ansprechenden Leistungen ist auch ohne Autopilot langes VFR-Fliegen ermüdungsfrei möglich. Einmal auf Kurs gebracht, liegt der Flieger stabil in der Luft. Bei Start und Landung bedarf es etwas Feingefühl und vor allem einer guten Sichtposition nach vorne-außen.
Dabei ist die Maschine sehr angenehm zu bedienen. Alabeo hat hier mit dem Servicepack 1 noch einige sinnvolle Erleichterungen eingebaut. Wer mit den Standard-Modellen des FSX gut zurechtkommt, hat mit der Staggerwing keine Probleme zu erwarten. Beladung und Sprit werden über das FluSi-eigene Menü gesteuert.
Das werde ich nicht vergessen
Den Spaßfaktor ist enorm, mit einem relativ betagten, dafür aber sehr stylischem und vor allem leistungsfähigen Doppeldecker beispielsweise die ORBX-Szenerien zu erkunden. Es hat durchaus seinen Reiz, ohne intensive Vorbereitungen nach Feierabend in einem historischen Cockpit Platz zu nehmen und einfach mal drauf los zu fliegen.
So viel Spaß hatte ich in einem GA-Flieger schon lange nicht mehr. Wenn man von der (gewollten) simulatorischen Einfachheit des Motormodells mal absieht, ist die Staggerwing wirklich für jeden eine lohnende Anschaffung. Oldtimer-Freaks dürften schon alleine aufgrund der tollen Optik zuschlagen. Allen anderen wird damit genau der Flugspaß zurückgegeben, der einem bei all den modernen Airlinern vielleicht sogar am Simulator bisweilen abhanden kommen kann. Kaufempfehlung!
Auf einen Blick
PRO | CONTRA |
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INFORMATION | TESTSYSTEM |
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Merci, Stefan.
Hat meine Vermutungen bestätigt 🙂
Viele Grüße,
Ingo
Eine unerwartete, aber erfreuliche “Low-Tech-Review”. Eine Motorensimulation a la A2A AccuSim (das sind viele As) verwöhnt natürlich, möchte allerdings auch von der Brieftasche verwöhnt werden.
Den Eindruck kann ich bestätigen, ein Flieger der primär Spass macht (Optik/Sound) und sich weniger an technisch möglichem Schnickschnack orientiert. Ein Spassflieger halt, ideal für Feierabendtouren.
Naja, wie bereits oben erwähnt: man ist durch A2A andere Qualitätsstandards gewöhnt und das klassische Taildragger verhalten äußert sich wirklich nur beim Rollen (bein Slippen z.B. passieren recht wunderliche Dinge). Gerade das Motormanagement ist bei einem Wasp RJ 985 Triebwerk ja die eigentlich Herausforderung an den Piloten. Optisch ein Leckerbissen, aber man hätte mehr draus machen können.
Winne
ein guter Artikel aber warum schreib der gute Mann nicht gleich wo ich das Payware Gps finde?
Danke! Es gibt mehrere Payware-GPS-Geräte. Ich verwende das von RealityXP: http://www.reality-xp.com/flightsim/gns530/
Ich hoffe, das hilft.
Man kann übrigens genausogut eine moving map wie im FlightSim Commander oder dem EFB verwenden.