Turboprops sind eine beliebte Flugzeugkategorie bei den Commuter-Airlines. Sie sind schnell genug, um kurze Distanzen in vernünftiger Zeit zurückzulegen, meistens auch mit guten Kurzstart-Eingeschaften ausgerüstet, um auch auf kleinen Plätzen einsatzfähig zu sein und nicht zuletzt auch dank den Turboprop-Triebwerken sehr wirtschaftlich. Einen typischen Vertreter dieser Kategorie – Die Fokker 50 für FSX aus der Werkstatt von Precisionaerobus hat sich Oskar Wagner etwas genauer angeschaut.
Review: Precisionaerobus Fokker 50
Die Fokker 50 sollte in der Mitte der 80iger Jahre die in die Jahre gekommene Fokker F27 Friendship ablösen. Ursprünglich war eine Weiterentwicklung der F27 geplant, aber im Laufe der Zeit wurde daraus ein praktisch eigenständiges, neues Flugzeug, das nur noch die äussere Form und die Spannweite von 29 m mit der Fokker 27 gemeinsam hatte. Moderne und etwas leistugsstärkere PW 125 Freilaufturbinen mit 2260 PS lösten die etwas kritischer zu bedienenden RR Dart mit 2100 PS ab. Auch der Geräuschpegel wurde durch die niedrigdrehenden 6-Blatt Propeller wesentlich gesenkt. Soweit zum „geschichtlichen“ Hintergrund dieses Modells. Ein Modell, das aufgrund seiner Leistungsfähigkeit und seines modernen Cockpitdesigns eigentlich ein Leckerbissen mit viel Potential für einen Add-On Entwickler darstellt. Precisionaerobus hat die F50 schon für den FS9 auf den Markt gebracht. Zeit also, um sich die FSX-Variante etwas näher anzusehen.
Installation und Handbuch
Für €40.46 (34.– ohne MWSt) oder US$43.– – je nachdem, ob man bei simFlight oder direkt bei PAOB kauft – lädt man sich einen 43.6 MB grossen Installer herunter. Die Installation selbst läuft natürlich problemlos ab – bis auf die Tatsache, dass dieser Installer in die Kategorie der „unselbständigen“ gehört. Eigentlich sollte es heute eine Selbstvreständlichkeit sein, dass ein Installer die Registry lesen kann und den FSX Pfad selbständig findet. Für mich ist dies ein Payware-Standard – für Precisionaerobus offensichtlich nicht. Es werden drei verschiedene Liveries installiert. Nach beendeter Installation geht natürlich zuerst einmal die Suche nach der Dokumentation los. Das Handbuch sowie die Quicktipps zum Starten der Triebwerke können vorgängig schon mal von der Website heruntergeladen werden. Die gesamte Dokumentation findet man aber auch in der Installation in insgesamt 3 verschiedenen Ordnern \Manual, \Quick Tips und \Speed Reference Material – für meinen Geschmack etwas unordentlich, aber wenigstens weist das Handbuch einen durchaus brauchbaren Standard auf. Der Rest sind einfach ein paar zusammengewürfelte Grafiken in GIF, JPG und PDF Format – meistes noch in schlechter Qualität. Aber immerhin sind die wichtigsten Tabellen vohanden, wenn man sie erstmal zusammengesucht hat. Das Lesen des Handbuchs ist wie immer bei einer Rezension von relativ grosser Bedeutung, so auch hier. Dabei fällt auf, dass sehr viele Funktionen – meiner Ansicht nach zuviele für ein Payware-Modell – als „not operational on this panel“ bezeichnet sind.
Aussenmodell
Das Aussenmodell ist in den Dimensionen stimmig und mit hochauflösenden Texturen belegt. Allerdings tut sich der Designer noch etwas schwer mit der Anwendung der Specular Maps und Alpha Channel. Da erstere nicht vorhanden sind und auch kein Alpha-Channel bearbeitet ist, präsentiert sich das Aussenmodell in Hochglanz – selbst da, wo es schmutzig ist.
Dies wirkt ein bisschen zu stark „geleckt“ und entspricht nun wirklich nicht dem, was man mit FSX-Texturen erreichen kann. Kommt dazu, dass viele Teile nicht eigentlich texturiert sind, sondern aus homogenem Material bestehen – wie z.B. das Fahrwerk.
Dies wirkt dann schon nicht sehr realistisch. Sonst aber ist alles vorhanden. Was sich bewegen soll, bewegt sich auch und auch die Passagiertüre, die wie bei gewissen Fokker 100 Modellen eine integrierte Treppe besitzt, öffnet sich sauber.
Cockpit
Die Fokker 50 präsentiert sich mit 2D Cockpit und VC. Das 2D-Cockpit besteht aus dem Main Panel, Overhead Panel und Center Pedestal, die sich in üblicher Weise über die entsprechende <SHIFT+ZAHL> Kombination aufrufen lassen.
Zu navigatorischen Zwecken kann das Default GPS ebenfalls eingeblendet werden. Daneben hat es noch eine kleine Konfigurations Utility – allerdings nur für relativ belanglose Dinge – sowie eine eigene Checkliste. Das 2D-Panel wirkt ein bisschen grobschlächtig – vor allem, was die verwendeten Fonts in den Anzeigen anbelangt – was aber zugegebenermassen allgemein für 2D Cockpits zutrifft. Die Anordnung und Lesbarkeit der Instrumente ist aber durchaus in Ordnung. Das Overhead Panel aber mehr noch das Center Pedestal hingegen ist sauber gearbeitet und gefällt mir gut. Die Checkliste kann ebenfalls als Pluspunkt verrechnet werden. Sie wird mit der Leertaste durchgeblättert.
Lädt man die Soundfiles über den angegebenen Link (von CoolSky) herunter, dann werden die Checklistentexte auch gesprochen und die Schalter und Drucktasten klicken hörbar. Sonst halt eben nicht. Es scheint, dass sich so langsam eine Unsitte in der Payware-Szene einschleicht, zur Vervollständigungen der Funktionen noch irgendwelche Freeware herunterladen zu müssen. Dass man sie nicht direkt integriert, hat wohl meistens Copyright-Gründe. Kundenfreundlich ist sie jedenfalls nicht. Aber diesen Vorwurf darf man nicht nur Precisionaerobus machen. Sie stehen damit beileibe nicht allein da.
Im VC fallen dann leider die flauen Texturen negativ auf. Es scheint als ob auch hier praktisch nur flächige Einheitsmaterialien in verschiedenen Grautönungen zur Anwendung kommen. Das wirkt nun wirklich nicht besonders professionell und ist für Payware in meinen Augen schon ein ziemlicher Grenzfall.
Beim Schwenk durch das Cockpit fällt auf, dass das Overhead-Panel nicht in 3D modelliert ist. Funktionell lassen sich alle notwendigen Schalter betätigen. Es besteht keine Diskrepanz zum 2D Cockpit. Auch die Nähe zur Wirklichkeit d.h. Lage der Instrumente und Bedienungselemente gegenüber der echten Fokker 50 ist durchwegs gut.
Systeme
Die Fokker 50 ist kein komplexes Flugzeug. Sie besteht aus Standard-Systemen wie Elektrik, Hydraulik, Fuel, De- und Anti-Icing, Kabinen-Druckbelüftung und Klimatisierung sowie einer APU. Nun ja, jedes der Systeme hat am Overhead-Panel seine Schalter und Drucktasten – aber das war’s dann auch schon fast. Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass viel mehr Systemtiefe als bei einem Default-Modell simuliert ist. Das Hydrauliksystem weigert sich immerhin, Klappen und Fahrwerk zu bewegen, wenn kein Systemdruck vorhanden ist. Allerdings äussert sich dies bei den Landeklappen auf eine etwas seltsame Art und Weise. Anstatt die Stellung des Klappenhebels einfach zu ignorieren, hüpft dieser einfach immer wieder in die Nullstellung zurück! Zudem läuft das System im Normalbetrieb dauernd im Überdruckbereich (fast 4000 PSI anstatt nominal 3000 PSI), was keinesfalls der Wahrheit entspricht.
Das Elektrik-System zeigt zwar auch an, dass z.B. Generatoren ausgefallen sind – aber die elektrisch betriebenen Systeme kümmert dies nicht wirklich. Sie funktionieren weitestgehend auch ohne Strom… Wenn ich davon ausgehe, dass die Anzeige-Logik der Schalter etwa gleich ist wie bei der Fokker 100, dann müsste ich auch sagen, dass sie hier falsch modelliert ist. Ein ausgefallener Generator z.B. beim Engine Failure wird mit dem weissen „OFF“ Text angegeben. Eigentlich müsste aber Amber „Fault“ angezeigt sein, das dann durch Quittieren mit dem Schalter auf weiss „OFF“ wechselt. Da ich aber die Fokker 50 nie geflogen bin sondern nur die Fokker 100, kann ich das nicht mit 100%iger Sicherheit sagen. Ich lasse ich diese Ungereimtheit einfach mal so stehen.
Das Fuelsystem lässt im Einmotorenflug keine realistische Simulation eines Crossfeeds zu. Die Logik dazu ist fehlerhaft. Es sind alles Dinge, die sogar in einem Default-Flugzeug funktionieren können, wenn man die entsprechenden Variablen richtig nutzt. Auch die Anzeige der Druckkabine ist zwar simuliert, zeigt aber falsch an. Eine Ausnahme macht die automatische Leistungskontrolle – im Prinzip ein FADEC, das via Engine Rating Panel das Setzen der Triebwerksleistung für verschiedene Standard-Zustände erleichtert. Nun ja, das System arbeitet, aber extrem langsam und ungenau. Ich war am Anfang sogar versucht, zu sagen dass es gar nicht funktioniert ist.
Aber nach einigen Versuchen habe ich dann festgestellt, dass es tatsächlich die Triebwerksleistung und Propellerdrehzahl für die verschiedenen Leistungsstufen TO, CLB, MCT, CRZ, GA regelt. Allerdings ist die Ansprechzeit völlig ungenügend und unrealistisch – sprich eben viel zu langsam und zu ungenau. Die Werte, die aus den Tabellen heausgelesen werden können, entsprechen meistens nicht dem, was schlussendlich geregelt wird. Da kann man getrost über die Schreibfehler auf dem Rating Panel hinwegsehen.
Die manuelle Bedienung der Throttles wirkt sehr schwammig. Dies ist allerdings auch zum Teil auf die Default-Behandlung von Turbopros im FSX zurückzuführen. Freilaufturbinen reagieren nun mal ziemlich schnell auf Lastwechsel, sobald der Gasgenerator aus Ground-Idle beschleunigt hat – eben weil der Gasgenerator allein eine relativ kleine Trägheit besitzt und schnell hochlaufen kann. Wenn man sich bei der Programmierung etwas Mühe gibt, kriegt man das etwas realisitscher hin. Beweise dazu gibt’s bereits auf dem Markt.
Noch ein Wort zur Beleuchtung. Die Aussenbeleuchtung bewegt sich in einem einfachen Rahmen. Obwohl der Schalter vorhanden wäre, ist das Logo-Light nicht simuliert. Auch sucht man vergebens irgendwelches Streulicht an der Flugzeugstruktur.
Landescheinwerfer und Taxilight sind modelliert. Allerdings wirft letzteres keinen Lichtkegel auf den Boden, sodass auch auf einen schwach oder unbeleuchteten Tarmac mit „vollem Christbaum“ gerollt werden muss.
Die Panelbeleuchtung mag meiner Ansicht nach ebenfalls nicht den Ansprüchen zu genügen, die man an eine Payware-Modell stellen kann. Zudem zeigt sich noch eine etwas seltsame Logik bei der Innenbeleuchtung. Immer wenn eine gerade Anzahl der insgesamt 6 Lichtschalter/Regelknöpfe betätigt sind, schaltet sich das Flutlicht oder Dome Light (die zwei sind nicht auseinander zu halten) ein…
Fliegerische Umsetzung
Auch hier ist es leider nicht möglich, Superlative zu verteilen. Das allgemeine Handling ist zwar nicht schlecht. Das Stall-Verhalten entspricht den Default-Flugzeugen. Die Drag-Kurve ist nicht aber besonders realistisch modelliert. Die Fokker 50 ist zwar aerodynamisch recht sauber, aber der Luftwiderstand ist wohl etwas zu optimistisch dargestellt. Anders kann man es sich nicht erklären, dass mit beiden Triebwerken im Leerlauf ein 3° Descent mit 160 KTS problemlos gehalten werden kann. Auch der Einmotorenflug mag nicht wirklich zu überzeugen – ausser man glaubt tatsächlich, dass 2300 PS auf einer Seite praktisch keine Asymmetrie erzeugen. Dies fällt aber wenigstens äusserlich nicht weiter auf, da Autofeathering im Steig- und Reiseflug offensichtlich nicht funktioniert und Manual Feathering „not implemented on this panel“ ist. So dreht der Prop munter weiter und stoppt erst nach dem Ausrollen auf der Piste.
Die Flight Guidance ist ansprechend dargestellt und umfasst alle Default-Funktionen. Dabei fällt aber auf, dass das ILS GP-Tracking des Autopiloten extrem stark gedämpft ist, was – nicht nur hier bei der Fokker 50 – meistens dazu führt, dass gegen Ende einer ILS der Anflug durchaus auch mal vor dem Pistenanfang endet. Etwas mehr Testarbeit hätte hier zu einem besseren Ergebnis führen können. Leider zeigt sich hier die unsorgfältige Umsetzung auch in kleinen Peinlichkeiten: So dreht beim NAV Display im ARC-Mode die Gradskala mit dem Course-Bar mit – um nur ein Detail zu nennen.
Fazit
Schade! Dieses Flugzeug hätte es verdient, besser umgesetzt zu werden. Das Potenzial dazu wäre vorhanden. Von „almost fully functional panels“, wie sie auf der Website angekündigt werden, kann nicht die Rede sein – es sei denn, mann strapaziert das Wort „almost“ bis zum ässersten. Es hätte eine valable Alternative zur Jetstream oder ähnlichem sein können. Aber mit dieser Umsetzung – notaben noch zum praktisch gleichem Preis wie sein high class Turboprop Gegenpart – ist wohl niemandem gedient. Dazu ist die Umsetzung zuwenig professionell.
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Rezensent: Oskar Wagner