Nachdem wir ja letzte Woche schon bei Wolfgang Koesling mitfliegen durften, nimmt er uns diese Woche auf einen weiteren Ausflug durch Alaska mit. Wieder zeigt Wolfgang wie einfach man sich mit ein bißchen Phantasie das Flugerlebnis mit dem Flusi zu einer spannenden Geschichte umbauen kann. Viel Spaß beim …
Zur Floattown und weiter zur Essowah Lake Cabin
Der Herbst ist eingezogen, mit all seinen Begleiterscheinungen: die Tage sind schon spürbar kürzer, die Temperaturen schwanken tags wie nachts zwischen + 3 – 8°C (der noch sehr warme Pazifik macht sich bemerkbar); aber der Regen hat zu- und die Sicht dementsprechend abgenommen und die Ketchikan umgebenden Berge und Hügel tragen teilweise schon einen Hauch von Weiß! – Da läßt es sich im warmen Zuhause am besten aushalten. Es wird mein erster Winter in Alaska und ich bin gespannt, wie ich ihn überstehe.
Die Kreuzfahrer haben ihr Sommerprogramm abgeschlossen, die Touristenströme sind versiegt und Ketchikan gehört wieder den Einheimischen. Ich habe in den letzten Tagen, nach Rücksprache mit der Piper-Vertretung in Prince Rupert, die Piper winterfest gemacht, dsgl. den Hangar, die Vorräte komplett ergänzt und träume eigentlich vom Winterschlaf.
Denkste, das Telefon, Steve Hunter von der Glidersleeve Company: „Hallo Wolfgang, kannst du uns helfen?“ – „Was gibt´s?“ – „ Einer unserer Chefs muß zur Floattown I, sie liegt in der Clarence Street zwischen Percy- und Kendrick Island, und ich will zur Essowah Lake Cabin auf Dall Island, eine Woche Urlaub!“ – „Mehr verlangst du nicht von einem Newcomer und dann noch bei dem Wetter?“ – „ Komm, stapel nicht tief, oder fliegt die Piper nicht mehr?“ – „Noch ein Wort! Ich hab´ sie gerade gewartet: die ist besser drauf als du und ich! Was ist drin und wann?“ – „So schnell wie möglich, natürlich unter Berücksichtigung des Wetters. Sind 400 gallons frei Haus für alles okay?“ – „Klingt i.O., ich muß sehen, was das Wetter macht. Woher kommt ihr beiden denn?“ – „ Wir kämen mit der Morgenmaschine aus Juneau,
10.15 an PAKT (Ketchikan Airport).“ – „ Okay, ich erkundige mich nach dem Wetter; deine übliche Nummer?“ – „Ja, ich erwarte deinen Rückruf!“ – Hatte ich nicht an vorgezogenen Winterschlaf nachgedacht? Aber 400 gallons für die Piper, das wäre was.
Ich telefoniere mit Scott McMurdock von der AIS in Pakt: „ Scottie, hier ist Wolfgang, hör zu!“ Ich erkläre ihm den Sachverhalt. „Wolfgang, morgen nicht; aber übermorgen und darauf sieht´s gar nicht so schlecht aus. Kaum Regen, Wolkenuntergrenze ca. 3000 ft, damit kommst du sogar auf direktem Weg zur Cabin.“ – „Vorhersage mit welchem Verläßlichkeitsgrad?“ – „Ca. 90%.“ – „O.K., also übermorgen; reserviere mir für 10 Uhr Gate 1, dann hole ich die beiden ab, danke!“ – „Mach´ ich; bis übermorgen.“ – Ich informiere Steve: „ Übermorgen 10.30 Uhr ab Pakt, Gate 1, okay?“ – „Okay, du bist zur Not über Handy erreichbar?“ – „Wie immer, mach´s gut!“.
Zwei völlig neue Ziele in meiner Alaska VFR-Fliegerei; ja, bei diesen Destinations versagt IFR ( ich habe sowieso keine Lizenz dafür!). Gestern hab´ ich die Ruhe genossen, ein geangelter Lachs sorgte für anstrengenden Küchendienst; anschließend den Flug vorbereitet.
Heute klingelt um 07 Uhr der Wecker: das Wetter sieht gut aus! – „ Scottie, bleibt es so?“ – „ Es bleibt, du kannst kommen; bis nachher!“ – Gut gefrühstückt; Kartenmaterial gesichtet, 2. Frühstück gerichtet und Thermoskanne mit Kaffee gefüllt (ohne ihn läuft bei mir gar nichts!) und alles in der Maschine deponiert, Hütte gesichert, Landebahnbeleuchtung aktiviert für ca. 15 min und die Piper geweckt.
Ab 09.30 bin ich in der Luft: „PAKT tower from N4711S, request landing information.“ – „ N4711S , make straight in runway 29, wind 8 kts 265°, and then to gate 1.“ – “Make straight in runway 29 and then gate1, 4711S.” – 09.45 stehe ich am Gate 1, die Juneau Maschine ist noch nicht da; also Zeit für einen Kaffee und eine Zigarette. Scottie meldet sich auf 122.90: „ Hey Wolfgang, beeil´ dich, wenn du deine Passagiere hast; so kommst du noch vor der Air Alaska aus Vancouver weg!“ – „ Danke Scottie, mach ich, over!“ – Gerade fertig, schwebt die CRJ 700 der Frontier Airlines auf die 29 ein: das müßte sie sein! Einige Minuten später kommt sie am Gate 4 zum Stehen, kurz darauf öffnet sich die vordere Bordtür; einige Passagiere streben dem Terminal zu, als Steve mit einem Herrn im Schlepptau erscheint.
„ Hallo Wolfgang, schön, daß du schon da bist; das ist Mr. Simson, unser CEO.“ – „Guten Morgen, Mr. Simson, ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug; hey, Steve, du weißt, wir Deutsche sind nun einmal pünktlich! – Kommt, klönen können wir unterwegs; wir wollen los, damit wir noch vor der Vancouver – Maschine loskommen.“ – Wir gehen zur Piper, verstauen das Gepäck der beiden; ein kurzer Check und, als wir angeschnallt sind: „N4711S for Pakt tower, request startup – clearence, VFR to floattown.“ – “ Tower for 4711S, startup approved; taxi via taxiway to runway 29 and contact tower.” – “ Startup approved, taxi to runway 29, N4711S.” – Lichter an, kurz geprimed, der Motor kommt; wir machen uns auf zur 29. – „ Tower, 711S ready for takeoff at runway 29.“ – „ N4711S, cleared for takeoff.“ – “Cleared for takeoff, N4711S.” – Ich schiebe das Gas rein und kurz darauf sind wir in der Luft, gear up; AP auf runway heading 290 und 2500 ft aktiviert. Noch schnell VOR 1 auf ANT 117.10 gerastet und am Ende von Gravina Island drehe ich links weg: der AP übernimmt nach Annette Island. „So, jetzt hab´ ich ein wenig Zeit für euch! Was treibt sie zur Floattown, Mr. Simson?“ – „ Auch von mir erst einmal einen Guten Morgen; ich bin Ernie, o.k?“ – „O.k.“ – „ Wir haben Probleme mit der Landestraße auf Floattown, sind z.Z. nur über´s Wasser erreichbar, will den Investitionsbedarf ermitteln.“ – „Bleibst du länger dort?“ – „Das weiß ich noch nicht; ist abhängig von den Gesprächen mit dem Chief inspector und der Schadensermittlung.“ – „Und du, Steve, du machst bei solchen Problemen einfach Urlaub?“ – „Nach 12 Monaten ohne steht mir ja wohl mal eine Woche zu; ich will nichts hören außer Natur und vielleicht meinem Selbstgespräch. Auch mein Handy bleibt aus, sonst muß ich nämlich spätestens nach zwei Tagen wieder zurück, ist genehmigt!!!“
Wir nähern uns Annette Island. Wir passieren Metlatakla , dann: „ N4711S for Annette Island, request transition for the bravo – airspace.“ – „ 4711S, cleared to the bravo-airspace, report of tower –clear.“ – „Will report clear.“ – Als wir Annette Island passiert haben, gehe ich auf heading 212° und melde mich beim Tower ab. – „ Schnallt euch bitte beide an, ich bereite uns auf die Wasserung an Floattown 1 vor.“
Dann haben wir sie auch schon vor uns ; ich umkurve sie an ihrem südwestlichen Ende und im üblichen Procedere gehe ich längsseits von Floattown. „Ernie, war schön, dich kennenzulernen; über Steve kannst du mich erreichen, good luck!“ – Ich vertäue die Piper kurz, lasse ihn aussteigen und schon geht´s weiter.
Nach dem Start aktiviere ich das GPS und mit seiner Hilfe und der Seekarte nehme ich Kurs auf Kendrick-Island. Scottie hatte mir nicht zuviel versprochen: das Wetter hält sich! – „ Steve, warst du schon einmal in Essowah Lake?“ – „Nein, aber sie soll sehr schön liegen und in einem Funkloch dazu, du weißt schon, Handy! Ich will angeln, Bären beobachten und einfach nur ausspannen!“ – „Ja, ich hatte eigentlich auch von einem vorgezogenen Winterschlaf geträumt, als du mich vorgestern anriefst.“ – „Wieso, du bist doch Rentner, hast doch den ganzen Tag für dich Zeit!“ – Naja, den Song kenne ich; mittlerweile haben wir Kendrick-Bay überquert, desgleichen die Cordova-Bay und nähern uns Coning-Inlet auf Long Island. Als wir die Kaigani-Street überqueren, sinke ich auf 1500 ft und reduziere auf 80 kts. „Steve, halte bitte mit Ausschau, ich war hier noch nie!“ – „O.k., sieh mal da vorne, das müßte schon der Lake sein.“ – Ein kurzer Blick auf die Karte und die Koordinaten des GPS: „Du hast recht.“ – Kurz darauf entdecken wir fast beide gleichzeitig die Cabin; nach einem Überflug gerät die Landung zur Routine. Ich setze Steve direkt an der Hütte ab: „Ich wünsche dir einen schönen Urlaub!“ – „Danke, daß du mich geflogen hast, einfach prima!“ – Wir entladen sein Gepäck, ein fester Händedruck (der zählt hier noch etwas); dann schieben wir gemeinsam die Piper ins Wasser zurück. Ich schwinge mich rein, fahre das Fahrwerk ein und Steve dreht mich mit der Nase in Seerichtung. Ein letztes Winken, ich starte den Motor und bin kurz darauf in der Luft.
So, Auftrag erledigt; per AP fliege ich entspannt nach Hause. Schiebe mir ´ne Elton John – CD ins Laufwerk, genieße einen, wenn auch schon etwas kälter gewordenen, Kaffee aus der Thermoskanne und bin nach insgesamt 3 ½ h wieder zu Hause. Wer die beiden wohl wieder abholt, abwarten!? – Egal, nach drei Tagen weckte mich gegen 08.30 Uhr ein Tankwagenfahrer per Hupe aus meiner wohlverdienten Nachtruhe, um den Vorratstank meiner Piper aufzufüllen: wir sind wieder flüssig!