“In einem Land vor unserer Zeit” wäre wohl die treffendste Einleitung, um sich der Komplexität Neu Guineas zu nähern. Wo Steinzeit und Moderne aufeinander treffen und alpine Landschaften auf malariaverseuchtes Küsten-Sumpfland treffen, leben heute noch Ureinwohner, deren einziger Kontakt zur Außenwelt durch waghalsige Buschpiloten zustande kommen kann. Ein interessantes Gebiet für ‘echte’ Buschpiloten.
Holger Kistermann kennt Neu Guinea und hat sich das virtuelle Pendant von Pacific Islands Simulation angesehen…
Einleitung – der wissenschaftliche Teil
Diese Szenerie kann man nicht ohne Weiteres ohne eine kleine Einführung besprechen. Wem lediglich die technische Umsetzung der 20,- € teuren Payware interessiert, kann jetzt nach unten scrollen… Aaaalso: Neu Guinea liegt knapp südlich des Äquators und ca. 160 Kilometer nördlich von Australien. Als auf der Nordhalbkugel die letzte Eiszeit zu Ende ging, wurde die Landverbindung zwischen dem roten Kontinent und Neu Guinea durch den steigenden Meeresspiegel überflutet. Es entstand die Arafurasee. Im Klartext bedeutet das aber auch, dass Neu Guinea und Australien gemeinsame Wurzeln in der Flora und Fauna haben. Auch die Einwohner Neu Guineas sind melanesischen Urspungs – genauso wie die Aboriginees in Australien. In der frühen Literatur werden sie deswegen auch “Kraushaar Indianer” genannt.
Die Rede ist von den Papua – einem Volk, von dem man sagt, es sei „primitiv“ und „zurückgeblieben“ und auch ein Volk, das bis in die jüngste Vergangenheit kannibalischen Riten nachgegangen ist. Die Papua sind eines der letzten Naturvölker der Erde. Von allen Kulturen sind sie es, die, gemessen an den Errungenschaften des westlichen Kulturkreises, am rückständigsten leben und den Forschern einen tiefen Einblick in jungsteinzeitliches Leben wie vor zehntausend Jahren gewähren. Bei der Beschreibung des Gebiets wird in der Literatur mehrfach vom „Kulturschock“ gesprochen, da die europäisch geprägte moderne Evolution hier in keiner Weise vorzufinden ist. Mit den Kolonialherren kamen das Militär und die Missionare und schließlich die Forscher, die noch in jüngster Vergangenheit „dort Bevölkerungsgruppen mit einer recht urtümlichen Kultur“ vorfinden konnten und die Weltöffentlichkeit über die „wilden Papuas“ informierten. Heute ist Neu Guinea entlang des 141. Breitengrades geteilt: Im Westen befindet sich das zur Republik Indonesien gehörende West-Papua und im Osten befindet sich die eigenständige Republik Papua-Neuguinea, die auch die im Osten liegenden Inseln von Neu-Britannien sowie Bougainville als nördlichste der Salomonen Inseln einschließt.
Neuguinea ist nach Grönland die zweitgrößte Insel der Erde. An der noch divergierenden Plattengrenze von Indo-Australischer Platte und Pazifischer Platte, nördlich von Australien gelegen, ist sie Teil des großen Erdbeben- und Vulkangürtels, der den Pazifischen Ozean umspannt. Nach Alfred Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie kommt es an der Bewegungsfläche der beiden Platten zu Verwerfungen; hier ist durch diesen Jahrmillionen andauernden geotektonischen Prozess die Insel Neuguinea entstanden. Das in Ost-West-Richtung verlaufende Maokegebirge ist ein extrem zerklüftetes Faltengebirge mit Gipfeln von über 5.000 Metern, welches in Nord- und Südrichtung abfällt und im Süden extrem flach ausläuft. An mehreren Stellen ist das Sedimentgestein von Vulkaniten durchbrochen, die bis in die Gegenwart im östlichen Teil der Insel aktiv sind. Das feuchtheiße Klima hat eine Temperaturspanne von 38°C an der Küste und 0°C an den höchsten Erhebungen. Aufgrund der Äquatoriallage gibt es bis zu 12.000 mm Niederschlag pro Jahr – grob gesagt, regnet es 2x am Tag ausgiebig. Dieses Klima bedingt ein rasches Pflanzenwachstum auf den fruchtbaren, teils vulkanischen, Böden, was zur Bildung der sehr dichten Primärvegetation führt. Diese beseht aus einer 30 bis 40 Meter hohen Baumschicht, die in den moosreichen Bergwäldern bis in Höhen von 3.000 Metern reicht.
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Einleitung – der persönliche Teil
Ich habe das Privileg gehabt, Neu Guinea, bzw. West-Papua, seit 1995 im Rahmen verschiedener Expeditionen mehrfach zu bereisen. Insofern ist das vorliegende Produkt geradezu ein “Heimspiel” für mich. Ich habe gesehen, wie sich Land und Leute in der kurzen Zeit seit 1995 verändert haben – und das ist für mich Grund genug, keine weiteren Reisen dorthin zu unternehmen. Denn es hat sich viel getan. Zu viel. Die Ureinwohner Neu Guineas sind im Rahmen der Archbold-Expedition “Discovering the world in a flying boat” erst in den 1930er Jahren entdeckt worden. Seitdem ist ihr Leben völlig aus den Fugen geraten und viele Stämme haben in nur einer einzigen Generation ihre Identität verloren. Egal, wohin man in die jüngere Geschichte blickt – Flugzeuge haben ihnen immer nur Leid und Elend gebracht. Doch der Reihe nach: Nur wenige Jahre nach der Entdeckung brach der Zweite Weltkrieg aus und die Japaner besetzten Neu Guinea, um es als Sprungbrett nach Australien zu missbrauchen. Dann kamen die Alliierten, die zur Befreiung der Pazifischen Inseln viele, teils groß angelegte, Flugplätze für ihre Bombergeschwader in den Urwald bauten. Sie erschienen den Eingeborenen wie Götter und es entstand der “Cargo Kult”, eine kultische Bewegung, in deren Zentrum Flugzeuge standen, die Geschenke vom Himmel abwarfen.
Nach dem Krieg ist es ruhig am Himmel über Neu Guinea geworden. Und um diese Götter zurück zu locken, legten die Eingeborenen neue Flugplätze im Dschungel an. Teilweise bauten sie auch Flugzeuge aus Stroh nach oder schnitzten sich Headsets aus Holz, mit denen sie dann herum liefen. Einige Stämme hatten sogar Glück – und es kehrten Flugzeuge zurück. In ihnen saßen jedoch keine Götter sondern Missionare, die diese Akzeptanz ausnutzten und damit begannen, den Ureinwohnern die christliche Religion sprichwörtlich überzustülpen.
Auch heute noch werden die meisten Dschungelflugplätze ausschließlich von Missionaren unterschiedlicher Couleur genutzt. Diese nun aber im Flight Simulator zu sehen, ist für mich mehr eine fliegerische Herausforderung als “ein Ort”, den man gerne anfliegt. Schließlich ist mit diesen Airstrips, die wie winzige Handtücher mitten in einem Meer aus Bäumen liegen, ganz eng der Niedergang der wunderbaren Kultur der Stämme Neu Guineas verbunden. Denn ohne diese Flugplätze gäbe es keine Missionierung – Neu Guinea ist zu zerklüftet und zu lebensfeindlich, als dass man eine umfangreiche Missionierung auf dem Landwege hätte realisieren können. Aufgrund dessen konnten sich auch einige Stämme im zentralen Bergland der Missionierung entziehen – denn hier ist das Gelände für den Bau von Flugplätzen schlicht ungeeignet. Und gemäß ihren religiösen Vorstellungen sind Eindringlinge von Außen Feinde. Das ist manchem Missionar zum Verhängnis geworden – er wurde umgebracht und mancherorts auch verspeist. Doch andernorts hat das System zum Nachteil der Ureinwohner geklappt und nach den Missionaren kamen das Militär und mancherorts auch Industrielle.
Neu Guinea im FSX
“Per default” ist Neu Guinea von Microsoft furchtbar vernachlässigt worden. In der Darstellung der Insel stimmt vieles einfach gar nicht. Wer hier fliegen möchte, kommt um ein Addon gar nicht herum.
Umfang und Installation
Rawgrit PNG Bushpilot beinhaltet 23 Flugplätze von kleiner bis mittlerer Größe. Ein weiteres Addon, Extreme Bushtrekker, ist inzwischen erschienen und beinhaltet Flugplätze entlang der Küste Neu Guineas. Einige der Flugplätze verfügen über ansteigende oder gebogene Pisten. Des Weiteren gibt es noch zehn Heliports bzw. Landeplätze für Wasserflugzeuge. Alle Flugplätze verfügen über regionale Besonderheiten wie beispielsweise Tiere, Strohhütten etc. Diese Features laden zum Entdecken ein. Ein grob aufgelöstes 76-Meter-Mesh sei ebenfalls in der Szenerie enthalten, so die Dokumentation. Doch dazu mehr später.
Insgesamt müssen 90 MB aus dem Internet herunter geladen werden. Der Installer funktioniert problemlos und auch Anfänger sollten in der Lage sein, die Szenerie anschließend im Flight Simulator zu bewundern. Doch leider fehlen Einträge für die Flugplätze in der “Addon Scenery” Liste bei der Flugplatzauswahl, so dass man die Startpunkte mühsam per exaktem Namen anwählen muss. Das setzt zwingend praktisch jedes Mal ein Nachschlagen in der Dokumentation voraus, denn die exotischen Namen der Flugplätze wie bspw. “Keglsugl” kann man sich nur schwer merken.
Die Dokumentation ist mit 25 Seiten ausgewogen. Was schmerzlich vermisst wird, ist Kartenmaterial. Die Dokumentation selbst enthält nur zwei sehr rudimentäre Karten, die zum Fliegen aber völlig ungeeignet sind. Deren Auflösung ist obendrein auch so verflucht schlecht, dass man nur mit viel Fantasie die eingetragenen Ortsnamen lesen kann. Ansonsten bietet sie eine rudimentäre Einführung in die Szenerie und stellt ein paar Flugrouten entlang verschiedener Flugplätze vor.
Der erste Eindruck
“Ist die Szenerie korrekt installiert?” war meine erste Frage. Erst auf dem zweiten Blick habe ich erkennen können, dass ich mich nicht im Default-Gebiet sondern in einer Addon Szenerie bewege. Denn es standen tatsächlich ein paar Hütten abseits der Piste, ansonsten sah es ziemlich “default” aus. Nach dem Start wurde es nicht besser, denn das zerklüftete Bergland, so wie ich es aus der Realität in Erinnerung hatte, erwies sich als gerade einmal “hügelig”. Was für eine Enttäuschung! Auch nach einer kurzen Platzrunde wollte sich nicht das typische “Neu Guinea-Feeling” einstellen. Zwischen Simulation und Realität lagen Welten. Ich bin auch real Dschungelflugplätze in Neu Guinea angeflogen. Die Pilatus Porter ist dort aufgrund ihrer Robustheit und der hervorragenden Short-Take-Off-Or-Landing (STOL)-Eigenschaften das bevorzugte Transportmittel. Es ist faszinierend zuzusehen, wie die Piloten der Missionarsfluggesellschaften die Maschinen mit viel Handarbeit auf den kleinen Pisten herunter bringen.
Der zweite Eindruck
Für den zweiten Eindruck habe ich einen anderen Flugplatz ausgewählt. Und tatsächlich – hierbei, mitten im Bergland in Keglsugl, handelte es sich um einen Flugplatz, der etwas “mehr” bot. Und zwar ein paar Rundhütten, eine Tankstelle (die aus ein paar Benzinfässern besteht) sowie ein paar weiteren Hütten, aus denen es rauchte. Unbedingt erwähnen sollte man auch ein ca. 20 Meter hohes Plakat mit der Aufschrift “Mt. Wilhelm – PNG Highlands”. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass irgendjemand solch großes Plakat mitten im Urwald “in the middle of nowhere” aufstellt.
Am meisten störte mich aber die Tatsache, dass das Addon keinerlei Landklassen mitliefert. Sonst kann ich es mir nicht erklären, wieso quasi direkt unterhalb des Äquators Nadelbäume stehen. So erinnert die Szenerie sehr stark an nordische Regionen, würde es nicht zumindest auch hoch wachsende Laubbäume geben. Zumindest in den Gegenden, die ich bereist habe, wuchsen keinerlei Nadelbäume.
Wie dem auch sei. Ich habe Keglsugl als Ausgangspunkt für einen Flug nach Wagu an der Küste gewählt. Dabei musste ich feststellen, dass das mitgelieferte Mesh ungenau ist. Teilweise verlaufen die Flüsse direkt über die Berge. Ohnehin gibt es keinerlei Küstenlinien oder realistische Flussläufe – alles ist default. Nicht nur dem ästhetischen Empfinden ist das abträglich sondern auch der Navigation. Denn wie soll man sich im Bergland zurecht finden, wenn markante Gipfel zu abgerundeten Hügeln verkommen und Flüsse nicht dort sind, wo man sie vermuten würde? Hinzu kommen die fehlenden akkuraten Landklassen. Große Teile des Berglandes sind nicht einmal bewaldet sondern erscheinen völlig kahl in Sandfarbe. Wohl gemerkt: In diesen entlegenen Gebieten gibt es keinerlei Holzwirtschaft – und wir befinden uns unterhalb der Vegetationsgrenze. Hier müsste üppige Primärvegetation mit einer bis zu 40 Meter hohen Baumschicht wachsen. Ohne GPS ist Navigation in dieser Szenerie unmöglich. Nach einer Stunde Flugzeit erreiche ich aber dennoch Wagu. Der Flugplatz ist schon von weitem als quadratisch ausgestanzte Fläche an der Küste erkennbar. So hat zu FS98-Zeiten Flugplätze designed… – nein, eigentlich nicht einmal damals. Denn die Piste von Wagu ist nicht mehr als ein breiter Strich mit gezackten Ecken. Das Grafikprogramm, mit dem Autor Graham Michael gearbeitet hat, hatte wohl keine Anti-Aliasing-Funktion für das Interpolieren des Striches.
Die Szenerie hat aber auch ihre guten Seiten. Die Flugplätze wirken zwar allesamt rudimentär, warten aber doch mit einigen liebenswerten Details auf. Hier und da steht manchmal ein Eingeborener. Oder ein Autowrack steht abseits der Piste. Es gibt auch kleine Siedlungen, die landestypisch nachgebaut wurden. Und es gibt Tiere – manchmal sieht man sie oder man hört nur lautes Vogelgezwitscher. Doch bei allem Respekt – das reicht für eine Payware Szenerie im Jahr 2009 nicht – zumal sich der Designer auch zahlreicher FSX-Standardobjekte bedient hat und wenig Eigenentwicklung betrieben hat.
Fazit
Mir war bereits vor Beginn der Rezension klar, dass die Szenerie keinesfalls eine Empfehlung wird. Schließlich gibt es über die Flugplätze so gut wie keine Informationen, geschweige denn Bildmaterial. Richtige Navigationskarten gibt es dort selbst für Piloten kaum – die vorhandenen Karten sind oft unvollständig. Bei unseren Expeditionen verwendeten wir Luftfahrtkarten, auf denen einige Gebiete schraffiert waren und mit der Aufschrift “Relief chart incomplete” beschriftet waren. In der Realität verändern dort Küstenlinien und Flussläufe ständig ihr Aussehen. Das macht es unmöglich, Daten für die Generierung derer im Flight Simulator zu erhalten. Designer Graham Michael ist wohl selbst einmal dort real geflogen, aber das besagt leider nur, dass er vieles tatsächlich gesehen hat. Die technische Umsetzung dessen ist nämlich enttäuschend. Es ist nicht eine Frage des “hätte mehr daraus machen können” sondern des “müssens”. Viele Flugplätze sind dermaßen dilletantisch in die Landschaft “geknallt”, dass man sie besser gar nicht umgesetzt hätte. Das dennoch einige Details geradezu liebevoll umgesetzt wurden, bleibt ein Widerspruch.
Informationen
Pro | Contra |
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Informationen | Testsystem |
ENWICKLER: Pacific Islands Simulation DISTRIBUTOR: simMarket HOMEPAGE: Pacific Islands Simulation PREIS: € 20,- |
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