Vor wenigen Wochen wurde endlich FS Altitude Vol. 1 – Western Europe veröffentlicht. Warum eigentlich „endlich”? Ganz einfach: Weil es eines der wenigen Addons ist, die das virtuelle Fliegen im FSX nachhaltig verbessern kann. Vor- und Nachteile dieses innovativen Produktes hat sich Holger Kistermann angeschaut – weiteres im folgenden Text.
Review FS Altitude
Böse Zungen behaupten, der FSX sei lediglich ein Simulatorfür die “low-and-slow-Fraktion” – also jene Piloten, die gerne im Sichtflug von A nach B kommen. Denn wenn der FSX eines richtig gut kann, dann ist es die Szeneriedarstellung mit hoch auflösenden Texturen! Damit kommen die Fotoszenerien besonders gut zur Geltung. Ansonsten muss man eben mit den Standardtexturen vorlieb nehmen. Die Standardtexturen sind auf dem ersten Blick gar nicht schlecht, allerdings wird ihre Verteilung durch Landklassen-Dateien bestimmt. Und da fängt der Ärger an: Die standardmäßig enthaltenen Landklassen aber auch alle mir bekannten Addons sind so schlecht, dass sie nicht einmal annähernd einen Eindruck der Realität vermitteln können. Was bringt einem also eine möglichst realitätsnahe Flugsimulation, wenn man sich letztlich über ein völliges Fantasiegebiet bewegt? Wüsten in Europa und in Alaska, verschwundene
Waldgebiete, Siedlungen auf eigentlich unbewohnten Inseln… Wofür braucht man dann eigentlich noch Sichtanflugkarten bzw. die AIP für eine möglichst realistische Vorflugplanung, die nun doch manch Stubenpilot macht? Dieses Dilemma trifft für Jetpiloten fast noch mehr zu: Würde man nicht wissen, dass man sich auf einem Interkontinentalflug über Europa befindet, könnte man glatt meinen, man sei über Afrika unterwegs – anders kann man das Bild, das sich einem bietet, nicht deuten. Fliegen im FSX macht so keinen Spaß.
Abhilfe schafft FSAltitude. Dieses, speziell für Jetpiloten entwickelte Addon, stellt alle weit entfernten Teile der Szenerie mit niedrig aufgelösten Luftbildern dar. Aus der Fantasielandschaft des FSX wird somit ein realistisches Abbild erzeugt. Dieser Effekt kommt vor allem in großen Flughöhen voll zur Geltung, wenn die Szenerie also höhenbedingt weit entfernt vom Betrachter liegt. Wie gut und wie sinnvoll der Einsatz von FS Altitude ist, soll diese Rezension klären…
Umfang und Installation
FSAltitude gibt es aufgrund der wahnsinnig hohen Datenmenge nur auf drei DVDs. Insgesamt müssen dafür 24 Gigabyte freier Festplattenspeicher zur Verfügung stehen. Dann hat man aber auch ganz Westeuropa inklusive Skandinavien und den wilden Osten bis nach Russland hinein mit diesen Texturen abgedeckt. Eine Selektion auf Länderebene, die eine Reduzierung der Datenmenge ermöglichen würde, gibt es leider nicht. Ein Handbuch ist nicht enthalten, was aber durchaus verschmerzbar ist. Nach der Installation kann man sich über das Start-Menü ein PDF-Handbuch mit ein paar Informationen über das Produkt aufrufen.
Die Installation selbst kostet viel Zeit – was angesichts der Datenmenge auch nicht verwundert. Bei dem mir zur Verfügung gestellten Exemplar war die DVD #2 beschädigt; eine BGL-Datei war nicht lesbar. Die Installation von DVD #2 musste abgebrochen werden. Nichtsdestotrotz konnte die Installation mit DVD#3 weiter fortgesetzt werden. Ein Teil “meines” Europas fehlt: Es hat Irland und England getroffen. Der Rest wird aber gut dargestellt, so dass mich dazu entschlossen habe, trotz dieses Mangels mit der Rezension fortzufahren. Nachdem ich den Fehler an den Hersteller berichtet habe, wurde mir schnell mit einem kleinen Workaround geholfen, so dass die fehlenden BGL-Dateien manuell kopiert werden konnten.
So funktioniert FSAltitude
Allein die Produktankündigung von FSAltitude war für viele Flight Simulator Enthusiasten durchaus überraschend: Wie sollte es möglich sein, mehrere Szenerien gleichzeitig darzustellen? Und dann auch noch so unterschiedliche Genres wie Autogenszenerie und Fotoszenerie – all dies nur in Abhängigkeit von der Höhe? Die Szenerieengine des Flight Simulators ist für so etwas eigentlich gar nicht vorgesehen.
Über die Position des Betrachters wird ein gedachter Kegelgelegt, wobei der Sichtposition das obere Ende des Kegels darstellt. Innerhalb dieses Kegels werden die Standardszenerie oder weitere Addon Szenerien dargestellt. Doch außerhalb des Kegels wird FS Altitude gezeigt. Egal, wie groß die Flughöhe ist, das Prinzip bleibt das gleiche. Je tiefer man fliegt, desto mehr Standard- bzw. dritte Szenerien sind im sichtbaren Bereich. Bei größeren Flughöhen ist aufgrund der Perspektive aus dem Cockpitfenster hinaus mehr FS Altitude sichtbar. Würde man jedoch einen Glasboden im Cockpit haben, würde man auch hier auf die Standard- bzw. dritte Szenerien blicken.
Erste Eindrücke
Der “Aha-Effekt” stellte sich bereits direkt nach dem Starten des Simulators ein. Denn die niedrig aufgelösten Texturen sind bereits hier sichtbar – wenn auch in einiger Entfernung. Ansonsten wird die gewohnte Szenerie dargestellt. Am Boden ist das nicht weiter störend. Während des Steigflugs gibt es eine gewöhnungsbedürftige Phase, denn hier werden im direkten Sichtfeld beide Szenerien mit einem sehr starken Übergang dargestellt. Je höher man fliegt, desto stimmiger ist der Gesamteindruck. Und dieser ist durchaus positiv! Endlich
gehören die sich ständig wiederholenden – und ohnehin unstimmigen – Bodentexturen der Vergangenheit an! Je nach Wetterlage und Sichtweite präsentiert sich die Szenerie so wie bei einem echten Flug. Am besten kommt FS Altitude in Flughöhen jenseits der 20.000 Fuß zur Geltung. Dann merkt man den Texturen die niedrige Auflösung von 14 Metern pro Pixel nicht mehr an. Durch die niedrige Auflösung ist Dateigröße der einzelnen Texturkacheln erfreulich niedrig, was ein sehr rasches Nachladen auch auf durchschnittlichen Computersystem ermöglichen sollte.
Gut – oder eben doch nicht…?
Der große Vorteil von FS Altitude ist gleichermaßen der große Nachteil. Die Luftbild- bzw. Satellitenbildtexturen stellen nur eine Tageszeit(Tag) und eine Jahreszeit (Sommer) dar. Fliegt man also tagsüber in der warmen Jahreszeit, ist das alles kein Problem. Doch in der kalten Jahreszeit geht das FS Altitude Konzept nicht mehr aus. Man würde in einer verschneiten Landschaft starten und wenige Augenblicke später bereits im Steigflug auf eine wunderbar saftige Frühsommerlandschaft blicken. Genauso verhält es sich nachts – aufgrund der fehlenden Nachttexturen würde man auf eine komplett schwarze Fläche schauen.
Seinen Vorteil weiß FS Altitude allerdings wunderbar in Szenezu setzen. Bereits beim ersten Airliner-Flug konnte das Programm voll überzeugen. Der Testflug führte von Köln in die österreichischen Alpen nach Klagenfurth – und ich bin immer noch begeistert von diesem Flug!
Wie stark verändert FS Altitude den Gesamteindruck?
Das ist vielleicht die wichtigste Fragestellung, mit der sich potenzielle Käufer auseinander setzen. Hier gilt natürlich am ehesten die Devise “Bilder sagen mehr als tausend Worte”, denn der Unterschied ist frappierend – ganz egal, welche Landklassen-Addons man im Einsatz hat. Zu den Landklassen Addons möchte ich nur soviel sagen: Ich habe alle am Markt erhältlichen Addons für Europa ausprobiert und bin von allen ganz furchtbar enttäuscht. Deswegen macht FS Altitude einen gewaltig positiven Eindruck gegenüber den Landklassen. Denn das, was man im Simulator sieht, würde in der realen Welt genauso aussehen. Sichtbare Übergänge zwischen verschiedenen Szenerie-Addons gehören zwar nun der Vergangenheit an, doch an ihre Stelle sind nun störende Übergänge zwischen den verschiedenen Texturen-Sets getreten: Da nicht alle Satelliten- bzw. Luftbilder am selben Tag und zur selben Uhrzeit aufgenommen wurden, sind manche Gebiete anders eingefärbt als die angrenzenden Gebiete. Ich denke, dass dies aufgrund der großen Grundfläche auch nicht anders möglich ist. An dieser Stelle kommt man nicht drum herum, den Einsatz von FS Altitude mit realem Wetter zu erwähnen – die Ergebnisse sind einfach phänomenal und sehen viel besser aus als mit den Standardtexturen. Vor allem, wenn man hochauflösende Wolkentexturen, wie bspw. aus Flight Environment Xtreme, verwendet.
Was FS Altitude jedoch viel besser kann als alle konventionellen Szenerien:
- realistische Ausmaße und Formen von Städten darstellen
-
markante große Gebäude darstellen (bspw. Volkswagen Werk
Wolfsburg) -
markante Geländemerkmale darstellen (bspw. Nürburgring)
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realistische Geländetexturen (bspw. das Sommer-staubige
Zentralspanien mit den kreisrunden bewässerten grünen Feldern) -
realistische Wiedergabe der verschiedenen Klimazonen
(bspw. Tundra und Taiga in Skandinavien) -
optimal angepasste Wassermasken
Die Qualität der Aufnahmen ist leider nicht auf gleichbleibendem guten Niveau. Massiv stören Wolken, die vereinzelt während der Satellitenbildaufnahme im Bild waren und folglich mit aufgenommen wurden. Die geringe Auflösung von 14 Metern pro Pixel ist zwar bei Flügen ab FL200 (ca. 20.000 Fuß) ausreichend gut, im Hochgebirgsraum jedoch nicht mehr. Die Berge
sind schlichtweg in zu geringer Entfernung als dass die geringe Auflösung nicht all zu sehr ins Gewicht fällt. Mancherorts hat man das Gefühl, dass einige Texturen eine geringere Auflösung haben als anderen und anschließend auf 14 Meter interpoliert wurden.
Fazit
Kein FSX-Flug ohne FS Altitude mehr! Schade, dass ich diese folglich nun also nur noch im Sommer und bei Tag durchführen kann. Aber die großen Vorteile von FS Altitude sind gleichzeitig die großen Nachteile. Man kann keinen Kompromiss finden – das Produktkonzept ist absolut kompromisslos. Und ich habe mich persönlich für die Vorteile entschieden. Letztlich muss sich der geneigte Käufer selbst entscheiden, ob für ihn die aufgeführten Nachteile überwiegen – dann wäre FS Altitude kein guter Kauf. Doch für mich geht es letztlich darum, die Flugsimulation so realistisch wie möglich zu betreiben. Und dazu gehört nun einmal auch eine möglichst realistische Darstellung der Landschaft! Das folgende Statement drückt meine Gedanken zu diesem Addon am treffendsten aus: „Schade, dass man FS Altitude nicht im FS2004 einsetzen kann.”
PRO | CONTRA |
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INFORMATION | TESTSYSTEM |
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Holger Kistermann